Wie von Studenten des Abraham Geiger Kollegs am Mittwochmittag zu erfahren war, soll es sich bei der heute Morgen auch in der Jüdischen Allgemeinen veröffentlichten »Stellungnahme« möglicherweise um eine Fälschung handeln. Der Text sei nicht mit ihnen als Unterzeichnern abgestimmt worden.
Die Stellungnahme war am Mittwochmorgen mit dem Namen von 21 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern versandt worden. Darin heißt es unter anderem, die Studenten würden »die jüdischen Führungspersönlichkeiten in Deutschland und der ganzen Welt« dazu aufrufen, »in diesem entscheidenden Moment aufzustehen und die Zukunft der Führung jüdischer liberaler Gemeinden in Deutschland zu retten«.
SITUATION Das toxische Umfeld, in dem man sich befinde, und der Machtmissbrauch, unter dem einige in extremem Maße gelitten hätten, lasse sich nicht durch »kleine oberflächliche Veränderungen auflösen«, hieß es darin weiter. Die Situation werde sich erst dann verbessern, »wenn die gesamte Führungsriege des Kollegs ausgetauscht ist«.
Die Vorwürfe wegen sexualisierter Belästigung und Machtmissbrauch am Abraham Geiger Kolleg hatten in den vergangenen Wochen zu ersten Konsequenzen geführt. Die Leo Baeck Foundation ist inzwischen alleiniger Träger des liberalen Rabbinerseminars. Die Anteile des Mitgründers und langjährigen Geschäftsführers, Rabbiner Walter Homolka, waren »unentgeltlich« der Leo Baeck Foundation übertragen worden.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Rabbiner Walter Homolka mitgeteilt, seine öffentlichen Ämter bis zur Klärung des Sachverhalts vorerst ruhen zu lassen. Im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen das AGK steht ein langjähriger Mitarbeiter der jüdischen Ausbildungsstätte. AGK-Angaben zufolge wurde er nach Bekanntwerden des ersten Vorfalls im Dezember 2020 zunächst abgemahnt. Mit Bekanntwerden eines zweiten Falles sexualisierter Belästigung sei das Arbeitsverhältnis dann Ende Februar dieses Jahres beendet worden.
UNTERSUCHUNG Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Kölner Rechtsanwaltskanzlei Gercke Wollschläger mit der Untersuchung der Vorfälle beauftragt. Sie hat jüngst bereits Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln untersucht. Zentralratspräsident Josef Schuster sagte, im Hinblick »auf mögliche Opfer« brauche es »eine vorbehaltlose, unabhängige und lückenlose Aufklärung« der Vorwürfe. Man wolle damit »größtmögliche Transparenz schaffen«. Zudem gelte es, möglichen »Schaden von der jüdischen Gemeinschaft abzuwenden«, so Schuster.
Der Zentralrat hegt indes Zweifel an den bisherigen Konsequenzen des Abraham Geiger Kollegs als Reaktion auf die Vorwürfe. »Es ist fraglich, ob die jetzt angestoßene Neuaufstellung am Abraham Geiger Kolleg geeignet und zielführend ist«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur. »Der bisherige Rektor lässt seine Ämter lediglich ruhen und die in verantwortlicher Position handelnden Personen sind die gleichen wie vorher. Unter diesen Umständen scheint eine Neuaufstellung kaum möglich.« ja
Korrektur: In einer vorherigen Fassung dieses Textes hatten wir berichtet, dass es sich bei der Stellungnahme um einen Offenen Brief von Studenten des Geiger-Kollegs handelt. Wir haben die entsprechende Stelle im Text angepasst.