Meinung

Gedenktag unter der Gürtellinie

Noch sechs Tage bis Weihnachten. Das ist sogar bis zu dieser Zeitung durchgedrungen. Aber wussten Sie, dass an diesem Freitag der Sangria-Tag begangen wird? (Weltweit, nicht nur auf Malle.) Und der 21. Dezember ist Internationaler Tag der Taschenlampe. Unser Kalender steckt voll interessanter Gedenkdaten.

Jetzt soll ein weiteres hinzukommen. Ab kommendem Jahr wird der 7. Mai in Deutschland der »Tag der genitalen Selbstbestimmung« sein, wenn es nach den organisierten Beschneidungsgegnern geht. Der 7. Mai deshalb, weil an diesem Tag 2012 das Landgericht Köln in einem Urteil die Zirkumzision von Jungen zur strafbaren Körperverletzung erklärte. Der Bundestag hat das per Gesetz später kassiert; die Vorhautschützer wollen zum juristischen Status quo ante zurück.

Pubertierende Darüber wollen wir jetzt gar nicht streiten. Aber ganz wertfrei angemerkt: Der Name des neuen Gedenkdatums ist etwas unglücklich gewählt. Erstens spricht sich »Tag der genitalen Selbstbestimmung« schwer aus. Rasch kann daraus bei überforderten Nachrichtensprechern ein »Tag der genitalen Selbstverstümmelung« werden, die wir alle nicht wollen. Zudem kann die Formulierung »genitale Selbstbestimmung« zu Missverständnissen Anlass geben: Pubertierende, die gerade die Freuden der solitären Sexualität für sich entdeckt haben, könnten sich aufgefordert fühlen, am 7. Mai besondere Leistungen auf diesem Gebiet zu vollbringen.

Offiziell zelebriert werden soll der neue Gedenktag mit einer Großdemonstration in Köln. Bekanntlich gehören zu einer ordentlichen Demo zündende Parolen. Die bewährten »Weg mit!«-Rufe gehen allerdings in dem Zusammenhang gar nicht. Auch »Hände weg von!« weckt falsche Assoziationen. Vielleicht wählt man in Anlehnung an die Parole der Stuttgarter S-21-Bahnhofsgegner »Oben bleiben!« den Schlachtruf »Dran lassen!«?

Nachdenken sollten die Beschneidungsgegner auch noch mal über das Datum ihres neuen Gedenktags. Auf den 7. Mai folgt der 8., der Tag der Befreiung. Am 9. dann ist der Tag der verlorenen Socke. Nicht die beste zeitliche Nachbarschaft für das Anliegen. In der Zwischenzeit freuen wir uns auf den 1. Januar. Der ist laut katholischem Kirchenkalender Festum Circumcisionis Domini, der Tag der Beschneidung des Herrn.

Washington D.C.

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