Mächtig, massiv, felsenfest thront das Steinkreuz hinter dem Jodl-Grab auf dem Friedhof auf der Fraueninsel im Chiemsee. Links und rechts auf zwei kleineren Steinen sind die Namen »Irma« und »Luise« zu lesen, sie sind nicht das Problem. Der seit Jahren währende Ärger entfacht sich am Namen in der Mitte, direkt auf dem Kreuz, groß steht da: »Alfred Jodl, Generaloberst, 1890-1946«.
GEDENKSTEIN Als Chef des Wehrmachtführungsstabes war Jodl im Zweiten Weltkrieg einer der engsten Berater von Adolf Hitler. 1946 wurde er vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Nun gibt es mit seinem Namen an der Grabstätte, der mittlerweile durch eine Steinplatte verdeckt wird, zwei Probleme: Erstens ist Alfred Jodl hier nicht bestattet; er wurde verbrannt und seine Asche in einem Seitenarm der Isar verstreut. Zweitens, und das ist der eigentliche Skandal, sagen die Gegner des Mals, dürfe es für einen verurteilten Kriegsverbrecher keinen »Gedenkstein« geben.
Was nachvollziehbar scheint, ist rechtlich nicht so trivial. Immer wieder beschäftigten Gedenktafeln und Ähnliches für verstorbene Nazis Gemeinden, Kommunen und Gerichte. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage, dass dort rund um das Jodl-Grab diverse Strafanzeigen wegen verschiedener Vorwürfe eingegangen sind - wegen Volksverhetzung, aber auch wegen Nötigung und Sachbeschädigung. Deshalb musste sich auch am Mittwoch der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Er kämpft seit Jahren mit verschiedenen Aktionen gegen das Grab. Die Richter verwarfen aber seine Berufung gegen eine Geldstrafe von 2250 Euro wegen Sachbeschädigung.
LANDTAG Doch solche öffentlichen Erinnerungen an Kriegsverbrecher zu entfernen, ist nicht so einfach, wie das Beispiel Jodl zeigt: Die Gemeinde Chiemsee etwa scheiterte unlängst vor Gericht, als sie das Grabrecht nicht verlängern wollte. Auch der bayerische Landtag hat sich mehrfach mit dem Jodl-Grab beschäftigt. Zuletzt wollte die SPD mit einem Gesetzesentwurf zur Änderung des Bestattungsgesetzes dafür sorgen, dass der Stein verschwindet. »Gedenksteine und Denkmäler für verurteilte NS-Hauptkriegsverbrecher sind auf Friedhöfen nicht hinnehmbar«, sagte der SPD-Abgeordnete Florian Ritter. Sie böten auch die Gefahr, zu Pilgerstätten rechtsextremer Gruppierungen zu werden. Doch der Landtag lehnte den Entwurf im Dezember mehrheitlich ab.
Zwar sei »jede Art des Andenkens an verurteilte Hauptkriegsverbrecher widerwärtig« und »auf das Schärfste abzulehnen«, sagte der CSU-Abgeordnete Matthias Enghuber. Doch es gebe keine rechtliche Grundlage, die Gemeinde ungeachtet des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes und gegen den Willen des Grabnutzungsberechtigten zu einer Beseitigung des Steins zu verpflichten. »Als Gesetzgeber müssen wir hier nicht handeln«, so Enghuber.
STRAFANZEIGE Dennoch sieht es danach aus, dass sich der Landtag erneut mit dem Familiengrab Jodl beschäftigen muss. Eine jüdischstämmige Frau aus der Nähe von Hannover hat sich mit einer Petition an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) gewandt. Auch sie bittet darum, das »öffentliche Ehrenmal« entfernen zu lassen. Es »übersteige den Bereich der Geschmacklosigkeit« und sei eine »Belästigung der Allgemeinheit«, einen Hauptkriegsverbrecher öffentlich zu ehren. Daher hat sie auch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Traunstein erstattet.
Auch Aktionskünstler Kastner kämpft seit Jahren gegen den Stein. Er hat ihn beschmiert, »Kriegsverbrecher« darauf geschrieben und das »J« entfernt - sodass nur noch »ODL« übrigblieb. Keiner konnte ihm bisher erklären, wie ein Ehrenkreuz für einen Massenmörder dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, sagte er dem epd. Mittlerweile sind Name, Lebensdaten und Titel von Alfred Jodl auf dem Kreuz nicht mehr zu lesen. Die Grabnutzungsberechtigten ließen eine Steintafel anbringen, die sie verdeckt. epd/ja