Das Maifeld liegt zwischen Waldbühne und Olympiapark. Seit Dienstag finden auf dem Gelände die European Maccabi Games 2015 (EMG) statt – genau an dem Ort, an dem das NS-Regime die Olympischen Spiele 1936 für eine gigantische Propaganda-Show missbrauchte und jüdische Sportler ins Abseits drängte.
Der Weg dorthin führt über die Flatowallee. Sie ist benannt nach den Cousins Alfred und Gustav Felix Flatow. Beide zählten zu den erfolgreichsten Turnern ihrer Zeit, beide starben im KZ Theresienstadt.
Turner Drei Stunden vor der offiziellen Eröffnung der Spiele durch Bundespräsident Joachim Gauck in der Berliner Waldbühne erinnerte Bundesjustizminister Heiko Maas bei einer Gedenkveranstaltung auf dem Maifeld an die beiden jüdischen Turner – stellvertretend für die sechs Millionen europäischen Juden, die in der Schoa ermordet wurden. Bereits am Vormittag waren insgesamt 600 jugendliche Sportler aller Delegationen im Rahmen des EMG-Bildungsprogramms ins ehemalige KZ Sachsenhausen gefahren. Sie hatten dort Zeitzeugen getroffen und Kränze niedergelegt. Zudem verlasen Jugendliche aus jeder Delegation in der Gedenkstätte die Namen ermordeter Sportler aus ihren Ländern.
Dass die EMG erstmalig überhaupt in Deutschland stattfinden, bezeichnete Bundesjustizminister Maas auf dem Maifeld als »ein großes Geschenk«. Zugleich sei die Freude darüber »gerade in diesem Land, in dieser Stadt« untrennbar mit der Vergangenheit verbunden. Denn anstelle von »Fairness und Miteinander« hätten die Olympischen Spiele von 1936 »Antisemitismus und Rassismus« verbreitet, wurden jüdische Sportler diskriminiert und ausgegrenzt. »Nur wenige Jahre später wurde in dieser Stadt der Völkermord an den europäischen Juden geplant«, sagte der Minister. Zu lange sei Deutschland mit sich selbst beschäftigt gewesen, bekannte Maas. »Wirtschaftswunder, Kalter Krieg, Berliner Mauer verdrängten die Auseinandersetzung mit den jüdischen Sportlern von einst«, sagte er.
Scham »Doch nicht nur in Deutschland, in ganz Europa verbreiteten die Nazis Mord und Terror.« Damit wandte sich Maas direkt an die 38 Makkabi-Delegationen aus aller Welt: »Wenn ich daran denke, was die Deutschen den jüdischen Gemeinden in Europa angetan haben, empfinde ich tiefe Scham.«
Umso nachdrücklicher fühle sich die Bundesregierung dem Kampf gegen Antisemitismus verpflichtet. Deutschland sei »sehr dankbar für blühende jüdische Gemeinden und das Geschenk der EMG«. Im Land der Täter dürfe es nur eine Antwort auf Antisemitismus geben – null Toleranz. Damit hieß Maas die Makkabi-Sportler aus aller Welt herzlich in Berlin willkommen.
Auch die Zeitzeugin und KZ-Überlebende Margot Friedländer begrüßte die EMG-Teilnehmer mit warmen Worten. »Es war richtig von euch, nach Berlin zu kommen«, betonte Friedländer. Denn auf die Schoa gebe es nur eine Antwort. »Yes!«, sagte die 94-Jährige unter begeistertem Jubel der Sportler. Sie rief die Athleten dazu auf, das Gedenken an die Opfer der Schoa mit in die Wettkämpfe zu nehmen – als Ansporn.
Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung sprach Rabbiner Yitshak Ehrenberg das Kaddisch. Die letzten Worte des Gebets, Ja’ase schalom, sangen alle Delegationen gemeinsam, vereint im Gedenken, bevor sie mit »Am Israel Chai« auf den Lippen hinüber zur Waldbühne strömten – zur Eröffnungsshow der EMG.