8. Mai

Gedenken an Weltkriegsende in vielen Hauptstädten

Foto: imago

Die Bundesrepublik und viele Staaten in der Welt haben am Freitag des Endes des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren durch das militärische Niederringen Hitler-Deutschlands gedacht. In Berlin rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bürger zur Verteidigung der Demokratie auf. Beim zentralen Gedenken betonte er zudem die besondere deutsche Verantwortung für den Zusammenhalt Europas. Steinmeier machte deutlich, dass diese Konsequenz aus der deutschen Geschichte gerade auch jetzt in der Corona-Krise gelte.

»Damals wurden wir befreit. Heute müssen wir uns selbst befreien«, sagte Steinmeier und nannte neuen Nationalismus, Hass, Hetze sowie »Fremdenfeindlichkeit und Demokratieverachtung«. Die deutsche Geschichte sei eine »gebrochene Geschichte«. Dazu gehöre die Verantwortung für millionenfachen Mord und millionenfaches Leid. »Das bricht uns das Herz bis heute. Deshalb: Man kann dieses Land nur mit gebrochenem Herzen lieben.«

Zur Befreiung von außen sei nach 1945 die »innere Befreiung« durch die schmerzhafte Aufarbeitung des Geschehenen gekommen, sagte Steinmeier. »Diese Jahrzehnte des Ringens mit unserer Geschichte waren Jahrzehnte, in denen die Demokratie in Deutschland reifen konnte.« Das Staatsoberhaupt sprach sich strikt gegen einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Vergangenheit aus. »Es gibt kein Ende des Erinnerns. Es gibt keine Erlösung von unserer Geschichte.«

Steinmeier hatte für den 75. Jahrestag ursprünglich einen Staatsakt angeordnet. Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin sollten sich rund 1600 Gästen versammeln. Dies musste wegen er Corona-Pandemie abgesagt werden. Nun kamen mit dem Staatsoberhaupt die Spitzen der vier anderen Verfassungsorgane - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Schäuble (CDU), Dietmar Woidke (SPD) und Andreas Voßkuhle - zur Neuen Wache in Berlin. Sie ist die zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Im Land Berlin war der Freitag einmalig ein Feiertag.

Die Bundeskanzlerin telefonierte mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Beide hätten die Absicht bestätigt, die Beziehungen konstruktiv zu gestalten. »Die Erinnerung an den Krieg und seine Schrecken müssten für alle Zeit wachgehalten werden«, erklärte die Bundesregierung. Für Russland und Deutschland habe der Tag eine besondere Symbolik, hieß es aus dem Kreml. »Heute sind Russland und Deutschland Partner bei der Lösung vieler aktueller internationaler Probleme.« Im Zweiten Weltkrieg hatte Hitler-Deutschland 1941 die Sowjetunion überfallen. Diese zählte mit rund 27 Millionen Toten so viele Opfer wie kein anderer Staat. Auch mit US-Präsident Donald Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron telefonierte Merkel am Freitag nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert.

Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der von Hitler-Deutschland entfesselte Krieg in Europa. Er kostete hier und in Asien - je nach Schätzung - zwischen 55 und mehr als 60 Millionen Menschen das Leben. Unter ihnen waren auch rund 6 Millionen europäische Juden, die die Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn ermordeten.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter: »Für Europa steht dieser Tag für das Ende eines grausamen Krieges, der durch das Nazi-Regime verursacht wurde, und für die Befreiung aus den dunkelsten Stunden.« Zugleich sei dieser Tag ein Wendepunkt für das Schicksal des Kontinents.

Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) laut Redemanuskript, der 8. Mai verpflichte Deutschland, sich für Frieden und eine regelbasierte internationale Ordnung einzusetzen. Er knüpfe »unser Schicksal für immer an das Schicksal eines starken und vereinten Europas«. Steinmeier sagte in Berlin mit Blick auf Deutschlands Rolle in Europa: »Wir müssen Europa zusammenhalten. Wir müssen als Europäer denken, fühlen und handeln.« Das gelte auch in der aktuellen Corona-Pandemie.

Der Ereignisse vor 75 Jahren wurde auch in vielen anderen Städten Deutschlands und Europas gedacht - insbesondere bei den damaligen Alliierten, die Hitler-Deutschland in die Knie gezwungen hatten.

In Paris legte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zunächst vor der Statue von General Charles de Gaulle einen Kranz nieder und fuhr dann weiter zum Triumphbogen. Dort fachte er die Ewige Flamme symbolisch neu an. Sänger des Armeechores sangen die Nationalhymne Marseillaise. Wegen der Coronavirus-Krise fand die Zeremonie an der Spitze des Prachtboulevards Champs-Élysées in diesem Jahr ohne Zuschauer statt. In Moskau war die große Militärparade coronabedingt abgesagt worden.

In London wollte Queen Elizabeth II. am späten Abend (22.00 Uhr) eine Fernsehansprache halten - genau 75 Jahre nach der Ansprache ihres Vaters, König George VI., im Radio. dpa

Debatte

Jüdische Gemeinde zu Berlin stimmt Aussagen von Polizeipräsidentin zu

Barbara Slowik sagt, dass Juden und Homosexuelle in manchen Teilen der Hauptstadt nicht sicher seien. Zustimmung kommt von der Jüdischen Gemeinde - auch dafür, dass Urheber von Gewalt endlich einmal klar benannt werden

von Stefan Meetschen  19.11.2024

Bayern

»Wir brauchen eine klare Haltung«

Zentralratspräsident Josef Schuster hat heute Abend in Würzburg die Ehrendoktorwürde seiner Alma Mater erhalten. Hier dokumentieren wir seine Dankesrede an der Julius-Maximilians-Universität im Wortlaut

 19.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Hetzjagd auf israelische Fans

Comedian witzelt über Gewalt gegen Juden

Benaissa Lamroubal nennt auf Social Media die Ereignisse von Amsterdam eine »great experience« und wird dafür von seinen Fans gefeiert

von Ralf Balke  19.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Nürnberg

Jüdische Gemeinde kritisiert Vergabe von Menschenrechtspreis

Die PCFF bringt seit 1995 israelische und palästinensische Familien zusammen, die durch den anhaltenden Nahost-Konflikt ein Familienmitglied verloren haben

 19.11.2024

Rio de Janeiro/Jerusalem/Gaza

G20 fordern mehr Hilfe für Gaza

Laut Erklärung muss Israel mehr Hilfsgüter liefern, obwohl diesen Monat bereits 32.000 Tonnen ankamen

 19.11.2024

Berlin

Staatsrechtler: Neubewertung der AfD öffentlich machen

Muss sich das BfV mit Äußerungen zu Parteien, die unter Extremismus-Verdacht stehen, zurückhalten, wenn Wahlen anstehen? Ulrich Battis meint: nein

 19.11.2024

Antisemitische Hetzjagd

Amsterdams Bürgermeisterin will nicht mehr von »Pogrom« sprechen

Der Begriff würde genutzt, um die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben, sagt Femke Halsema

von Nils Kottmann  18.11.2024