Mit Aufrufen zur Solidarität mit Jüdinnen und Juden ist am Mittwoch in Berlin an die ersten Deportationen aus Berlin nach Osteuropa vor 82 Jahren erinnert worden. Das Gedenken war überschattet vom Terror der Hamas mit mehr als 1.400 Toten in Israel und Jubelszenen darüber auf Pro-Palästina-Kundgebungen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte am Mahnmal »Gleis 17« in Berlin-Grunewald vor mehr als 100 Menschen, zur Verantwortung aus der Geschichte gehöre es, als Deutsche solidarisch an der Seite Israels zu stehen und klar zu bekennen, »dass jüdisches Leben zu uns in Deutschland gehört«.
Der Jubel über den Hamas-Terror sei unerträglich und durch nichts zu rechtfertigen, sagte Woidke. Er sprach von Bildern der Schande: »Hier an diesem Bahnhof wird uns vor Augen geführt, wohin Ausgrenzung, Entrechtung und Rassenwahn führten - in den systematischen Völkermord an über sechs Millionen Jüdinnen und Juden.« Die Verbrechen der Nationalsozialisten müssten deshalb immer wieder in Erinnerung gerufen werden.
Mit Blick auf den eskalierten Konflikt im Nahen Osten sagte Woidke: »Der Hass auf Israel, der Hass auf Menschen jüdischen Glaubens, besteht weiter.« Allen Bemühungen für ein friedliches Zusammenleben in der Region sei durch den Angriff der Hamas extremer Schaden zugefügt worden.
An der Veranstaltung nahmen unter anderem Schülerinnen und Schüler der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule aus Berlin-Moabit teil. Sie erinnerten an jüdische Lehrer und Schüler der Vorgängerschule. Unter den Gästen waren auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und die Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Bahar Haghanipour (Grüne).
»Hier an diesem Bahnhof wird uns vor Augen geführt, wohin Ausgrenzung, Entrechtung und Rassenwahn führten - in den systematischen Völkermord an über sechs Millionen Jüdinnen und Juden.«
Dietmar Woidke
10.000 Juden wurden am Gleis 17 deportiert
Am 18. Oktober 1941 startete vom Gleis 17 des damaligen Güterbahnhofs Grunewald aus der erste sogenannte Ost-Transport mit mehr als 1.000 Jüdinnen und Juden. Ziel war das Ghetto von Litzmannstadt (Lodz) südwestlich von Warschau. Bis zum Frühjahr 1942 wurden von dem Bahnhof in dem noblen Villenviertel aus ungefähr 10.000 deutsche Juden in Arbeits- und Konzentrationslager deportiert und größtenteils ermordet. Weitere 30.000 der insgesamt über 50.000 Berliner Jüdinnen und Juden wurden vom Güterbahnhof Moabit und knapp 10.000 vom Anhalter Bahnhof deportiert.
Veranstalter des Gedenkens ist seit 2011 die Ständige Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum. Die Initiative dazu kam von der Schriftstellerin und Holocaust-Überlebenden Inge Deutschkron (1922-2022). Die Deutsche Bahn richtete 1998 das Mahnmal »Gleis 17« ein.
Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, verwies auf die aktuell steigende Zahl antisemitischer Angriffe in Berlin. Dies sei ein beängstigendes Zeichen. Jeder habe die Pflicht, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten, sagte der Historiker.
Rabbiner Chaim Michael Biberfeld von der Israelitischen Synagogen-Gemeinde (Adass Jisroel) in Berlin, sagte, Jüdinnen und Juden seien unter den Nationalsozialisten vor den Augen ihrer Mitbürger in den Tod geschickt worden. Auch heute sei der Antisemitismus nicht verschwunden. Juden müssten auf der Hut sein. epd