Erinnert sich noch jemand daran? Es gab einmal einen »Barcelona-Prozess«. Der sollte mittels Dialog zwichen der EU und den nordafrikanischen Mittelmeeranrainern die Demokratie in den Ländern des Maghreb fördern. Zehn Jahre zog sich die Sache hin, dann wurde der Barcelona-Prozess ergebnislos beerdigt – und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy brachte die Idee einer »Mittelmeerunion« auf: War der Kern der Versöhnung in Europa nicht das Kohle- und Stahl-Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich? Wäre so ein Annäherungsprozess mittels Wirtschaftsbeziehungen nicht ebenfalls für die arabischen Staaten und Israel denkbar? Naja, ein wenig war auch von politischer Reform in den verkrusteten Diktaturen des Nahen Ostens die Rede.
Revolution Während die Europäer weiter kaum vernehmlich »mehr Demokratie« forderten, sich aber ansonsten die arabischen Despoten als »Garanten für Stabilität« schönguckten, haben die Tunesier nun ihren Machthaber fortgejagt. Dazu kann man den Demonstranten nur von Herzen gratulieren. Das ist aber erst Teil eins der Arbeit. Nach der Revolution muss wieder die langweilige Administration kommen. Jetzt haben die Tunesier das Kunststück zu meistern, in einer politisch korrumpierten, von den alten Eliten durchsetzten Gesellschaft eine demokratische Regierung aufzubauen.
Nachdem Europa schon auf dem Sektor »rechtzeitige Demokratieförderung« versagt hat, sollte es wenigstens jetzt und umso engagierter den Tunesiern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Erfahrung gäbe es reichlich, schließlich musste die Mehrzahl der europäischen Staaten selbst den Übergang von Diktatur zu Demokratie bewältigen.
Ein Scheitern der tunesischen Revolution kann sich Europa auf keinen Fall leisten. Stürzt das Land ins Chaos, würden sich die despotischen »Garanten für Stabilität« nur bestätigt fühlen. Dann wäre es mit der Demokratie in der arabischen Welt für lange Zeit vorbei.
Die Autorin ist Chefredakteurin der Zeitschrift Internationale Politik.