Berlin

»Für eine weltoffene Hauptstadt beschämend«

Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Berlin-Kreuzberg, Hedemannstraße. Das Jüdische Museum und das Kindermuseum ANOHA liegen nicht weit entfernt, ein Hotel, Apotheke, Steakhouse, Sushi. Eine eher ruhige Kreuzberger Straße. Der 19-jährige Jonathan und seine 18-jährige Freundin sind zu Fuß unterwegs. Sie wollen zu einem Supermarkt. Er telefoniert – und spricht dabei Hebräisch. Es ist Freitagabend, 22.15 Uhr.

Plötzlich hält ein Auto an. Drei Männer steigen aus, der Fahrer bleibt am Steuer sitzen. Einer der Männer fragt Jonathan etwas auf Deutsch. Der junge Israeli versteht die Frage nicht. Da schlägt jemand aus dem Trio sofort zu, der Berlin-Besucher fällt zu Boden. Die Angreifer schlagen und treten weiter auf ihn ein. Dann steigen sie in ihr Fahrzeug und fahren davon.

rettungsstelle Zusammen mit seiner Begleiterin, die unverletzt geblieben war, suchte der 19-Jährige wenig später die Rettungsstelle eines Krankenhauses auf. Der Israeli erlitt eine Gehirnerschütterung und Prellungen am Oberkörper. Am Tag danach erzählte der junge Berlin-Besucher der »Bild«-Zeitung: »Ich wurde von Arabern verprügelt, weil ich Jude bin! Als sie mit mir fertig waren, sind sie mit ihrem Auto weggefahren und haben laut arabische Musik gehört, regelrecht gefeiert.«

Ob die Täter tatsächlich einen arabischen Hintergrund haben, muss noch abschließend geklärt werden. Eine Polizeisprecherin verweist darauf, dass ein Fachkommissariat des Polizeilichen Staatsschutzes ermittle und versuche aufzuklären, ob bei dem Angriff »eine antisemitische Tatmotivation« vorliege. Der Angriff sorgte unterdessen auch international für großes Entsetzen. »Diese Attacke ist für eine weltoffene europäische Hauptstadt beschämend«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.

Ob die Täter tatsächlich einen arabischen Hintergrund haben, muss noch abschließend geklärt werden.

Ron Prosor, Israels Botschafter in Berlin, twitterte: »Ein weiterer Israeli wird in der Hauptstadt brutal angegriffen. Das ist inakzeptabel! Israelis und Juden sollten sich in den Straßen von Berlin oder jeder anderen deutschen Stadt nicht unsicher fühlen. Die deutschen Behörden müssen jede Maßnahme ergreifen, um diese Angriffe sowie die Aufhetzung gegen Israel und Juden zu stoppen, bevor es zu spät ist.«

tagesordnung Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, sagte im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen: »Der offensichtlich antisemitisch motivierte Angriff auf den jungen israelischen Touristen in Berlin ist verabscheuungswürdig. Nach solchen Vorfällen dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.« Israelbezogener Antisemitismus sei ein wachsendes Problem in Deutschland, so Klein. »Dieser tritt nicht nur, aber eben auch in Teilen der muslimischen Community auf.«

Auch die Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) ist alarmiert: »Antisemitische Angriffe sind in Berlin nicht alltäglich, wir erleben sie aber als traurige Kontinuität – 22 Vorfälle physischer Gewalt dokumentierte RIAS Berlin für 2022, darunter waren auch zwei Angriffe auf Personen, während sie Hebräisch sprachen. Außerdem haben wir zwei Vorfälle extremer Gewalt dokumentiert, bei denen die Haltung der Täter und der Betroffenen zu Israel als Begründung für die Gewalt diente«, sagt Projektmitarbeiterin Ruth Hatlapa auf Anfrage.

Erst kürzlich hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie veröffentlicht, wonach Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland stärker verbreitet ist als im Rest der Bevölkerung. Josef Schuster überrascht das nicht. »Verbale und körperliche Übergriffe gegen Juden im öffentlichen Raum kommen meiner Wahrnehmung nach größtenteils aus dem muslimisch geprägten Milieu«, sagte er gegenüber dieser Zeitung, differenzierte jedoch: »Wenn es aber um schwere Gewalt und Terror geht, ist der Rechtsextremismus eine große Gefahr.«

Thüringen

Rechtsextreme AfD zerrt Stephan Kramer vor Untersuchungsausschuss

Der Partei ist der Verfassungsschutzchef ein Dorn im Auge, weil sie in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch gilt

 11.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Meinung

Die Gewalt in Syrien war absehbar

Während deutsche Nahost-Experten die islamistischen Machthaber in Damaskus noch als »gemäßigt« darstellten, häuften sich längst die Warnungen vor neuem Blutvergießen

von Ninve Ermagan  11.03.2025

Solidarität

»Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt«

Der Journalist Nicholas Potter ist seit Wochen das Ziel einer Rufmordkampagne, initiiert von einem dubiosen Propaganda-Portal und befeuert von antiisraelischen Aktivisten. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden

von Nils Kottmann  11.03.2025

Berlin

»Wir erwarten eine umfassende und zügige Aufklärung«

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 häufen sich Angriffe auf die Presse nicht nur bei Nahost-Demos. Die jüngsten Attacken gab es am Samstag in Kreuzberg. Betroffen waren zwei jüdische Journalisten und ein Gewerkschafter

 11.03.2025

Meinung

Warum wir über Antisemitismus unter Syrern sprechen müssen

Immer wieder fallen syrische Geflüchtete mit antisemitischer Gewalt auf, zuletzt am Wochenende in München. Um solche Taten künftig zu verhindern, braucht es eine rationale Analyse statt trotziger Reflexe

 11.03.2025

Generalstaatsanwaltschaft München

Ermittlungen gegen Syrer nach Ausschreitungen vor Synagoge

Die drei Männer bespuckten Fotos von Hamas-Geiseln. Einer von ihnen attackierte einen Wachmann und zückte ein Messer

 11.03.2025

Syrien

Menschenrechtler warnen vor Völkermord in Syrien

Hunderte, vielleicht Tausende Alawiten sollen in Syrien von Islamisten ermordet worden sein. Die Gesellschaft für bedrohte Völker befürchtet einen Genozid. Damaskus verspricht die »Rückkehr zur Normalität«

von Christoph Schmidt  10.03.2025

Antisemitismus

Rabbiner Pinchas Goldschmidt zu Vorfall in München: »Abschieben! Noch heute!«

Drei junge Syrer randalierten am Samstag vor dem jüdischen Gemeindezentrum - in ersten Reaktionen forderten Rabbiner harte Konsequenzen

 10.03.2025