Meinung

Für eine demokratische Partei nicht tragbar

Vor ziemlich genau einem Jahr sorgte der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen bundesweit für Empörung, als er ein verschwörungsideologisches Video des Pandemieleugners und Antisemiten Sucharit Bhakdi mit zustimmendem Kommentar teilte.

Im Jahr zuvor hatte er in Social Media wiederholt vom »Great Reset« und den »Globalisten« geraunt – Begriffe, die in rechtsextremen und verschwörungsideologischen Milieus schon seit Längerem als antisemitische Chiffren dienen.

Nun hat Maaßen erneut in den antisemitischen Giftschrank gefasst. Auf Twitter behauptete er in der vergangenen Woche, Ziel der »treibenden Kräfte im politisch-medialen Raum« sei ein »eliminatorischer Rassismus gegen Weiße«. Mit dieser Wortwahl bediente er sich bei Daniel J. Goldhagen.

Der Holocaust-Forscher hatte 1995 in seinem breit diskutierten Buch Hitlers willige Vollstrecker von einem eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen gesprochen. Maaßen kennt selbstverständlich die Debatte um Goldhagens Buch.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Wenn er den angeblichen Rassismus gegen Weiße mit dem Zusatz »eliminatorisch« versieht, stellt er also ganz bewusst den Bezug zum Holocaust her: Die NS-Verbrechen werden terminologisch mit dem Zerrbild eines auf Vernichtung zielenden »Rassismus gegen Weiße« gleichgesetzt. Maaßen betreibt damit klassische rechtsextreme Schuldumkehr und zeigt sich einmal mehr als Geschichtsrevisionist.

Mit seinem geschichtsrevisionistischen Tweet, der die Opfer der Schoa verhöhnt, stellt sich Hans-Georrg Maaßen außerhalb des demokratischen Spektrums.

Zugleich sieht Maaßen sich offenbar als Akteur im Kampf um die Begriffe. Ursprünglich aufklärerisch oder auch politisch links verortete Begriffe werden im Sinne völkischer Ideologie umgedeutet, ein beliebtes Mittel neurechter Propagandisten, das auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke beherrscht. Dieser bezeichnete die deutsche Migrationspolitik als »Zivilisationsbruch« – ein Begriff, den der Historiker Dan Diner als Bezeichnung für den nationalsozialistischen Mord an den europäischen Juden eingeführt hatte.

Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und die Würdigung seiner Opfer zählen zum demokratischen Grundkonsens der Bundesrepublik. Mit seinem geschichtsrevisionistischen Tweet, der die Opfer der Schoa verhöhnt, stellt sich Hans-Georg Maaßen außerhalb des demokratischen Spektrums. Und doch ist er noch immer Mitglied der CDU, für die er bei der letzten Bundestagswahl als Direktkandidat in Thüringen antrat.

Als demokratische Partei hat die CDU nur eine Wahl: sich so schnell wie möglich von dem Mann zu trennen.

Der Autor ist Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung von Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechtsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024

Washington D.C.

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen an Israel

Eine Gruppe von Demokraten scheitert mit ihrem Vorstoß

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Russlands Krieg in der Ukraine

1000 Tage Krieg

Die Ukraine hat gerade ein bitteres Jubiläum begangen - 1000 Tage Krieg. Wie leben die Menschen dort, begleitet von so viel Tod und Zerstörung? Streiflichter von einem einzelnen Tag geben einen kleinen Einblick

von Illia Novikov  20.11.2024

Berlin

Prozess gegen Teilnehmer israelfeindlicher Uni-Besetzung eingestellt

Die Aktion an der Humboldt Universität bleibt auch wegen der dort verbreiteten Pro-Terror-Propaganda in Erinnerung

 20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

USA

Trump nominiert Juden für das Handelsministerium

Howard Lutnick ist Chef des New Yorker Finanzunternehmens Cantor Fitzgerald

von Andrej Sokolow  20.11.2024

Wien

IAEA: Iran will Uran-Produktion beschränken

Dabei hat das Mullah-Regime seinen Uran-Vorrat zuvor massiv aufgestockt

 20.11.2024