Ein »geeigneter Festredner« ist Günter Grass. Davon ist Norbert Nieszery fest überzeugt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern will Mitte Juni den umstrittenen Literaturnobelpreisträger unbedingt als Laudator auftreten lassen. Und zwar zur Verleihung des Johannes-Stelling-Preises der SPD-Fraktion. Der richtet sich an Menschen, die »gegen rechtsextremistische, fremdenfeindliche, antisemitische, rassistische und/oder in anderer Weise diskriminierende Tendenzen eingetreten« sind.
»Not welcome, Mr. Grass!«, hat daraufhin die Hochschulgruppe Rostock der Deutsch-Israelischen Gesellschaft verkündet. Spätestens nach seinem Gedicht Was gesagt werden muss gilt ihnen ein Auftritt Grass’ als Versuch, die »antisemitischen Verleumdungen des einstigen SS-Angehörigen als Teil einer demokratischen Kultur hoffähig zu machen«.
revisionismus Daniel Leon Schikora, Sprecher der Hochschulgruppe, sagt, dass es schon vor der Grass-Rede in der mecklenburg-vorpommersche SPD »geschichtsrevisionistische Tendenzen« gab, namentlich von Norbert Nieszery selbst. Im Februar 2010 hatte der frühere Bundeswehrsoldat erklärt, das Bombardement Dresdens 1945 sei ein »Symbol der rücksichtslosen alliierten Flächenbombardierungen«; erst jetzt sei eine »ehrliche Bewertung der alliierten Kriegführung möglich«. Die Einladung von Grass gehört für Schikora in eine solche »geschichtsrevisionistische Reihe«.
Nieszery will sich auf diese Diskussion nicht einlassen. Eine Einladung an die DIG-Hochschulgruppe zum Gespräch sagte er ab, weil die »Basis für einen niveauvollen Diskurs« nicht gegeben sei. Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen verteidigt der SPD-Politiker die Einladung an Grass: »Es gibt keinen Grund, nur wegen eines umstrittenen Gedichts von einem international anerkannten Aushängeschild für das andere, bessere Deutschland abzurücken.«
ignorant Dass es auch in der SPD Kritik an Grass nach dessen Gedicht gegeben hatte, irritiert Nieszery nicht. Er glaubt, dass diejenigen Sozialdemokraten, die von Grass abgerückt seien und ihn nicht mehr im Wahlkampf sehen wollen – etwa die Generalsekretärin Andrea Nahles –, nur »zu Besonnenheit gemahnt« hätten. »In Mecklenburg-Vorpommern«, so Norbert Nieszery, »ist Günter Grass jedenfalls jederzeit herzlich willkommen.«