Es ist nun fast schon 48 Jahre her, dass zwölf Menschen durch den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München starben. Wie hat ein jüdisches Kind das Geschehen damals erlebt?
»Die Olympischen Spiele in München waren ein Highlight, der Einmarsch der israelischen Mannschaft mit der blau-weißen Fahne für mich als jüdisches Kind etwas ganz Besonderes – auch wenn die damaligen schwarz-weißen Fernsehbilder bei Weitem nicht mit heutigen Standards zu vergleichen sind«, erinnert sich David Seldner vom Bund traditioneller Juden (BtJ) an den Beginn dessen, was eigentlich als heitere Spiele angekündigt worden war.
Terroristen Dann kam der Schock, als der Überfall palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler bekannt wurde: »Die Informationen klangen wie Gerüchte, nichts Genaues wusste man, umso mehr gierte man nach Informationen. Wie viele waren gefangen genommen worden, was wollten die Geiselnehmer eigentlich, wussten die Deutschen denn überhaupt, wie man mit Terroristen umgehen sollte?«
David Seldner und seine Mutter hofften, »dass man das Vorgehen den Israelis überlassen würde. Ihnen trauten wir eher zu, das Problem zu lösen, während ich schon damals das deutsche Vorgehen als schwerfällig, umständlich, aber auch besserwisserisch empfand«.
Die live übertragenen Bilder, »die maskierten Männer auf dem Balkon, haben sich mir für alle Zeiten eingebrannt. So wie das Hoffen und Bangen – obwohl ich damals noch nicht wusste, dass einer der gefangenen und dann ermordeten Sportler ein Bekannter meiner Familie gewesen war, identifizierte ich mich, vielleicht sogar zum ersten Mal in meinem Leben, mit der israelischen Mannschaft«. Es habe gedauert, »bis es ins Bewusstsein sickerte, dass letztlich alle umkamen, ermordet von Terroristen«.
Argument Für die Entscheidung, die Olympischen Spiele nicht abzubrechen, hatte der junge David damals Verständnis. »Das Argument, man dürfe dem Terror nicht nachgeben, sah ich ein. Jedoch musste ich später feststellen, dass ›die anderen‹ eben nicht so entsetzt waren wie wir.«
Dass die von den Angehörigen gewünschte Gedenkfeier vor Beginn der nächsten Spiele regelmäßig abgelehnt wurde, sei empörend. »Wie scheinheilige Argumente gesucht wurden, um eben nicht ermordeter Juden gedenken zu müssen – lange brauchte ich, um zu verstehen, dass es sehr wohl etwas damit zu tun hatte, dass es sich um Israel aka Juden gehandelt hatte. Immerhin dauerte es ja auch 40 Jahre, bis die Entscheidung fiel, eine Gedenkstätte zu errichten.«
Wie David Seldner schaute auch Udi Lehavi am 4. September 1972 fassungslos auf das, was im Fernsehen statt Sport gezeigt wurde, allerdings nicht in Deutschland, sondern in Israel. »Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir im Kibbuz die Nachricht von dem Überfall auf die israelischen Sportler erhielten und dann schweigend vor dem Fernseher saßen«, sagt Lehavi. Auch an die Bilder von der Ankunft der Särge der ermordeten Israelis erinnert sich Lehavi. »Es wurde damals live übertragen, im ganzen Land herrschte eine spürbare depressive Stimmung.«
Er sei, wie alle anderen auch, gegen eine Fortsetzung der Olympischen Spiele gewesen, »aber ich war ja auch nur ein 14-jähriger Bub, auf den niemand hörte«.
Maccabi München Heute ist Udi Lehavi Repräsentant von Keren Hayesod in Süddeutschland. In dieser Funktion ist er mit dabei, wenn am 4. September in München mit einer Radtour an die Opfer des Attentats erinnert wird. Um 8 Uhr morgens startet die vom Generalkonsulat des Staates Israel initiierte Fahrt im Olympiapark, die unter anderem von Maccabi München unterstützt wird.
Sie führt nach Fürstenfeldbruck. Am dortigen Fliegerhorst findet dann die offizielle Gedenkfeier für die damals getöteten elf israelischen Sportler und einen bayerischen Polizisten statt.
Wer an der Radtour teilnehmen möchte, muss sich bis zum 1. September verbindlich unter der E-Mail-Adresse consul-sec@munich.mfa.gov.il anmelden.
Es gelten die Hygieneregeln, das Tragen einer Atemschutzmaske sowie das Einhalten der Abstandsvorgaben ist erforderlich.