In Hamburg herrscht Entsetzen über den martialischen Aufmarsch islamistischer Demonstranten im Stadtteil St. Georg, bei dem am vergangenen Freitag gegen Israel gehetzt wurde.
SLOGANS Auf dem Steindamm, unweit des Hauptbahnhofs, hatten sich Schätzungen der Polizei zufolge rund 200 Demonstranten versammelt, die meisten von ihnen in schwarzer Kleidung mit einem roten Logo auf dem Rücken. Angemeldet worden war der Umzug von einer Gruppe namens Muslim Interaktiv als »propalästinensische Versammlung« unter dem Motto #DieMaskensindgefallen.
Die Hamburger Polizei, die die Demonstration mit rund 30 Beamten begleitete, sprach von einer friedlichen Versammlung. In der Stadt dagegen herrscht Entsetzen über die Kundgebung und ihre Einschätzung. Der Publizist und Integrationsbeauftragte der CDU Hamburgs, Ali Ertan Toprak veröffentlichte ein Video von der Demonstration, die der Charakterisierung der Polizei fundamental widerspricht.
Darauf ist zu sehen, wie Dutzende Teilnehmer sich in militärähnlicher Formation auf der Straße positionieren und per Megafon durchgegebene Slogans wie »Raus aus Aksa, das für immer«, »Nieder mit dem Besatzer« und »Kindermörder Israel« brüllen. Auch mehrere Särge, bedeckt mit Tüchern mit arabischen Inschriften, sind zu sehen.
AUFARBEITUNG Gemeinsam mit CDU-Landeschef Christoph Ploß erklärte Toprak, man sei »fassungslos und entsetzt über diesen islamistischen und zutiefst antisemitischen sowie antiisraelischen Aufmarsch auf Hamburgs Straßen«.
Weiter hieß es in der Pressemitteilung: »Der offen gezeigte Judenhass ist ein Angriff auf uns alle. Dem stellen wir uns entschlossen entgegen. Das erwarten wir auch vom Hamburger Senat. Wenn Antisemiten Angst und Schrecken verbreiten wollen, braucht es eine starke Antwort des Rechtsstaats. Worte und Bekundungen allein reichen nicht aus.«
Auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, Philipp Stricharz, sagte der »Hamburger Morgenpost«, man halte die Aktion »für strafrechtlich relevant« und werde deshalb in den nächsten Tagen mit den Behörden sprechen, um aufzuarbeiten, »wie es zu diesen öffentlichen Drohgebärden kommen konnte.«
Es handele sich bei den Organisatoren der Demo aber um eine Splittergruppe innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, so Stricharz weiter. »Wir halten den Auftritt am Freitag für den Versuch einer Randgruppe, einen Keil in die Hamburger Gesellschaft zu treiben. Das werden wir nicht zulassen, und sind sicher, dass es die überwältigende Mehrheit der Hamburger Muslime genauso sieht.«
VERBOT Hinter Muslim Interaktiv vermuten Kenner der islamistischen Szene in Hamburg die bereits 2003 vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily verbotene Organisation Hizb ut-Tahrir. Diese wurde in den 1950er-Jahren als panislamische Bewegung gegründet und kämpft für die Errichtung eines Kalifats, die Einführung der Scharia, die Vernichtung des Staates Israel sowie die Vertreibung aller Nicht-Muslime aus »Palästina«. Auch in zahlreichen islamischen Ländern wird die Hizb ut-Tahrir als illegale Vereinigung eingestuft und ist daher nur im Untergrund tätig.
Muslim Interaktiv ist Erkenntnissen des Hamburger Verfassungsschutzes zufolge seit Anfang letzten Jahres aktiv und überwiegend in den sozialen Netzwerken präsent. Zielgruppe seien vornehmlich junge Muslime, die in Deutschland leben.
AKTIONEN Vor einigen Monaten organisierte die Gruppe zudem mehrere öffentlichkeitswirksame Aktionen in Berlin, darunter Proteste vor den Botschaften Österreichs und Frankreichs. Im März des vergangenen Jahres legten die Islamisten mit einem Autokorso in der Hamburger Innenstadt zeitweise den Verkehr lahm - angeblich, um der Opfer des rechtsextremistischen Anschlags in Hanau zu gedenken. Am Ende richtete sich die Aktion jedoch mehr gegen eine angeblich von deutschen Politikern betriebene »Hetze« gegen Muslime.
Muslim Interaktiv zeigte sich mit seiner jüngsten Aktion sehr zufrieden - wenn auch in grammatikalisch sehr zweifelhafter Form.
Die Hamburger CDU warf am Wochenende die Frage auf, »warum eine Nachfolgeorganisation der seit 2003 verbotenen Hizb ut-Tahrir, vor der das Landesamt für Verfassungsschutz warnt, ihre judenfeindlichen Parolen ungehindert auf Hamburgs Straßen verbreiten kann« und wieso der rot-grüne Senat »nicht gegen diesen Verein vorgegangen ist und im Vorwege ein Demonstrationsverbot erteilt hat«. Politik und Staat dürften nicht zulassen, dass antisemitische Hetze zum Alltag in Deutschland werde, erklärte die größte Oppositionspartei.
Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) empfand die Demonstration als »unerträglich«. Er wehrte sich jedoch gegen Kritik, die Veranstaltung nicht untersagt zu haben. »Unerträglichkeit ist nach dem Grundgesetz kein Untersagungsgrund für eine Versammlung«, erklärte Grote gegenüber der »Morgenpost«.
Muslim Interaktiv zeigte sich mit seiner jüngsten Aktion sehr zufrieden - wenn auch in grammatikalisch sehr zweifelhafter Form. Auf der Instagram-Seite der Gruppe hieß es: »Für die Befreiung unserer palästinensischen Geschwister von dem illegitimen Besatzer Israel, sind wir aufgestanden! Deutschland ist gegenüber ihrer Siedlungspolitik und ihrem Bombardement von Schulen, Krankenhäusern und Medienhäusern blind und stärkt ihnen noch den Rücken. Möge Allah unseren Geschwistern Standhaftigkeit geben und ihnen helfen!« mth