Protest

Fridays for Intifada

Demonstration für »Klimagerechtigkeit« am 23. September 2022 in München Foto: IMAGO/aal.photo

Es ist ein Slogan, der Selbstmordattentate gegen israelische Zivilisten verharmlost und eine Verbindung zwischen Klimakrise und Nahostkonflikt konstruiert: »Von Hamburg bis nach Gaza – Klimaintifada«. So rief die trotzkistische Jugendgruppe »Revolution« im August zum Klima-Protestcamp in der Hansestadt auf. Drei Tage zuvor hatte sie auf Instagram eine »dritte Intifada gegen den israelischen Staat« gefordert. Zur Erinnerung: Während der ersten und zweiten Intifada starben Tausende Menschen auf beiden Seiten des Konflikts.

Andere Klimagruppen distanzierten sich prompt von dem Aufruf. Die Gruppe »Revolution« sei zum Camp nicht offiziell eingeladen worden, sagte eine Sprecherin des Bündnisses »Ende Gelände« der »Welt«. »Mit ihren sehr klar antisemitischen Äußerungen möchten wir daher in keiner Weise in Verbindung gebracht werden«, stellte Fridays for Future Hamburg klar. Doch der Vorfall war kein Ausrutscher, sondern steht für einen antisemitischen Trend in Teilen der Klimabewegung.

Kritik Im September stand etwa Fridays for Future Bremen in der Kritik, nachdem ein Repräsentant der Initiative »Palästina Spricht« einen Redebeitrag auf ihrer Demonstration halten durfte. Die Einladung war zu Recht umstritten: Auf Kundgebungen von »Palästina Spricht« werden immer wieder antisemitische Parolen skandiert, Journalisten wurden in der Vergangenheit körperlich attackiert und als »Zionistenpresse« oder »Drecksjude« beschimpft. Die Gruppe unterstützt zudem die anti-israelische BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions).

BDS versucht, in diversen sozialen Bewegungen Fuß zu fassen – auch in der Klimabewegung. Auf der offiziellen Webseite der Boykott-Kampagne heißt es etwa: »Palästina ist ein Thema der Klimagerechtigkeit.« Die Klimakrise betreffe Palästinenser »unverhältnismäßig stark«. Israel »vergiftet Leben« im Gazastreifen, indem es für die Verunreinigung des Trinkwassers verantwortlich sei – eine Neufassung vom antisemitischen Topos des »jüdischen Brunnenvergifters«. »Kriegsführung, eine Säule der israelischen Wirtschaft, ist eine der umweltschädlichsten Industrien der Welt«, schreibt BDS.

Das Narrativ von BDS wird in Teilen der Klimabewegung immer salonfähiger. So schrieb Fridays for Future International im Mai 2021 in den sozialen Medien, die israelische Regierung sei eine »Form des Militarismus und Kolonialismus, die wir alle abschaffen wollen«. Die Palästinenser hätten nicht immer das Privileg, Gewalt­losigkeit als »zumutbare Option« zu haben. Auch wird Ghassan Kanafani zitiert, führender Kopf der palästinensischen Terrororganisation PFLP. »Unsere Herzen sind bei allen Märtyrern und verlorenen Leben«, heißt es zum Schluss. Dazu ein Link zur BDS-Kampagne.

Fridays for Future warf Israel »Militarismus und Kolonialismus« vor.

Der Post wurde mit Likes überhäuft. Auch Fridays for Future Bremen schloss sich der Position der internationalen Gruppe an. Fridays for Future Deutschland hat sich aber bereits mehrfach davon distanziert. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen betont ein Sprecher, die Gruppe sei »gegen jeden Antisemitismus«. Gleichzeitig arbeite die Jugendbewegung in dezentralen, basisdemokratischen Strukturen. Mit komplexen Themenfeldern außerhalb ihres Kerngebiets umzugehen, sei deshalb eine Herausforderung. Mit BDS gebe es aber keine Zusammenarbeit.

Erst im vergangenen Monat wurde der wachsende Einfluss von BDS in der Klimabewegung erneut sichtbar: Als die schwarze US-Bürgerrechtlerin und bekennende BDS-Unterstützerin Angela Davis auf dem Kreuzberger Oranienplatz eine Rede zur Situation von Geflüchteten hielt, kam sie auch auf den Nahostkonflikt zu sprechen: »Deutschland kann seine historische Schuld nicht lindern, indem es die Last auf dem palästinensischen Volk abwälzt.« Fridays for Future International kommentierte Davis’ Worte auf Twitter: »Wer Klimagerechtigkeit sagt, darf Antikolonialismus nicht ignorieren. Und wer Antikolonialismus sagt, muss auch Free Palestine sagen!«

Abwehr Die Reaktion ist symptomatisch für eine antizionistische Tendenz in sonst progressiven Bewegungen weltweit – von »Black Lives Matter« bis in die queere Community. In der Klimabewegung führt die Trennung der Welt in den reichen Norden und den armen Süden oft zu einer dogmatischen Abwehr gegenüber dem jüdischen Staat – und einer pauschalen Solidarisierung mit den Palästinensern. Palästina wird zum Inbegriff des »Globalen Südens«, der von Israel unterdrückt und ausgebeutet wird.

Diese Logik mündet nicht selten in offenem Antisemitismus – auch in Deutschland. »Erkennt ihr die Apartheid in Israel an oder seid ihr offen rechtsextrem«, schrieb neulich ein deutscher Klimaaktivist auf Twitter, der im Presse-AG von Fridays for Future Deutschland war, aber dort nicht mehr aktiv ist. Die israelische Flagge sei ein »Zeichen für Rechtsextremismus«, schrieb er in einem weiteren Tweet.

Auch wegen solcher Entwicklungen trat im Juli eine Sprecherin von Fridays for Future Deutschland zurück. Sie kritisierte den aufkeimenden Antisemitismus in Teilen der Bewegung. »Eine Rassistin weniger«, bejubelte ein Klimaaktivist ihren Rücktritt auf Twitter. »Inschallah bald keine Zionisten mehr«, schrieb er weiter. Auf seinem Profilfoto: eine Landkarte, auf der Israel nicht mehr zu existieren scheint. Dazu die Worte: »Fridays for Intifada«.

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert