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Freund und Bruder Franziskus – Juden verabschieden sich vom Papst

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt Foto: picture alliance/dpa

Freund der jüdischen Gemeinschaft, Bruder Franziskus: Mit bewegenden Worten haben Vertreter des Judentums sowie Überlebende des früheren NS-Vernichtungslagers Auschwitz den gestorbenen Papst Franziskus gewürdigt. Das Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit war am Ostermontag im Alter von 88 Jahren an den Folgen einer schweren Lungenentzündung gestorben.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach von einem »Freund der jüdischen Gemeinschaft«. »Möge seine entschiedene Haltung gegen Antisemitismus, die er noch am gestrigen Ostersonntag klar formuliert hat, auch in Zukunft die katholische Kirche und die gesamte Weltgemeinschaft leiten.«

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Noch am Ostersonntag hatte sich der Papst der Öffentlichkeit auf dem Petersplatz gezeigt und den Segen erteilt. In seiner Osterbotschaft kritisierte er Antisemitismus sowie den Krieg im Gazastreifen. »Den leidenden Christen in Palästina und Israel wie dem gesamten israelischen und palästinensischen Volk bekunde ich meine Nähe.« Der Papst bezeichnete das »wachsende Klima des Antisemitismus, das sich in der ganzen Welt ausbreitet« als besorgniserregend.

Tiefe Verbundenheit zu Juden in Buenos Aires

»Jeder, der ihn kannte, konnte die tiefe Verbundenheit gerade zur jüdischen Gemeinde in seiner Heimat Buenos Aires spüren«, betonte Schuster. Franziskus stammte aus Argentinien und war der erste Lateinamerikaner an der Spitze der katholischen Kirche. Bevor er am 13. März 2013 zum Papst gewählt wurde, war er Erzbischof von Buenos Aires.

Für den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, war Franziskus eine »wahre moralische Führungspersönlichkeit, ein Mann tiefen Glaubens und Humanität und ein standhafter Freund des jüdischen Volkes«. Lauder unterstrich die Bemühungen des Papstes um den interreligiösen Dialog und den Erhalt des Gedenkens an die Schoah auch für kommende Generationen.

Eine Welt ohne Angst vor Fremden

Auschwitz-Überlebende bezeichneten ihn als »Bruder Franziskus«. Sie verabschiedeten sich mit großer Wehmut, Zuneigung und Anerkennung, so der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner. Franziskus sei für Überlebende ein Mensch gewesen, dem sie tiefes Vertrauen entgegengebracht hätten.

»Seine Einladungen und Aufforderungen an alle Menschen, eine Welt zu gestalten, in der die Angst vor Fremden, Antisemitismus und Rassenhass keinen Platz mehr haben sollen, hat die Überlebenden tief berührt«, hieß es.

Europäische Rabbiner würdigten den Papst für ein unermüdliches Engagement »für den Frieden und den guten Willen in der Welt«. Der Präsident der orthodox geprägten Konferenz Europäischer Rabbiner, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, übermittelte dem Heiligen Stuhl die tiefe Trauer der Konferenz. Sie vertritt als Europäisches Rabbinat nach eigenen Angaben rund 1.000 Mitglieder und 800 aktive Rabbiner.

Goldschmidt sagte, er erinnere sich gerne an seine vielen Begegnungen mit dem Papst und dessen Bemühungen um die Stärkung der katholisch-jüdischen Beziehungen. Dazu gehöre auch ein Treffen zur Vatikan-Erklärung »Nostra aetate« über das Verhältnis der Kirche zum Judentum. Die Erklärung, deren 60. Jahrestag in diesem Jahr begangen wird, habe den interreligiösen Dialog tiefgreifend verändert.

Würdigungen und Kritik zu Lebzeiten des Papstes

Von jüdischer Seite war das Wirken von Franziskus auch zu Lebzeiten immer wieder gewürdigt worden, etwa seine Aufrufe gegen Judenhass. Aufsehen erregte auch sein Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau 2016 im Rahmen seiner Reise zum Weltjugendtag in Krakau. Kritik von jüdischer Seite am Papst kam jedoch im Zuge des Gazakriegs als Folge des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 auf: Franziskus wurde wiederholt einseitige Parteinahme für die Palästinenser in unterschiedlichen Äußerungen vorgeworfen.

Darauf hob jetzt auch der Jüdische Weltkongress ab, der gleichwohl eine Repräsentanz nahe dem Vatikan unterhält: Gerade in den vergangenen Monaten habe es schwierige Momente gegeben.

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