Gesellschaft

Freiwillig helfen

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) präsentiert die Werbekampagne zum Bundesfreiwilligendienst. Foto: dpa

Bufdis sind die neuen Zivis – nämlich die jungen Menschen ab 16 Jahren, die den Bundesfreiwilligendienst (BFD) ableisten. Der ist Nachfolger des Zivildienstes. Mit einem Unterschied: »Die Zivis mussten, die anderen machen das freiwillig«, erklärt Jürgen Richter, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Frankfurt/Main. Er sitzt für die jüdischen Gemeinden in der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen. Bislang ist der BFD allerdings ein Flop.

Gerade einmal etwas mehr als 3.000 BFD-Stellen sind in ganz Deutschland besetzt, weitere 3.000 Anwärter sollen interessiert sein. Damit ist man von der erhofften Zahl 35.000 weit entfernt. Und weil der BFD, anders als das seit fast 50 Jahren eingeführte Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), nicht so gut ankommt, hatte das Bundesfamilienministerium den Trägern jüngst vorgeworfen, den BFD zu wenig zu fördern.

Staatssekretär Josef Hecken (CDU), der die in Babypause weilende Ministerin Kristina Schröder vertritt, hatte die Spitzen der Träger einbestellt. Zu denen gehört neben großen Organisationen wie Caritas, Diakonie, AWO oder dem Paritätischen auch die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Förderung Bei dem Treffen eröffnete Hecken den Trägern, das Ministerium habe mithilfe fingierter Anfragen herausgefunden, dass die Einrichtungen lieber das FSJ empfehlen statt den BFD. Daher wollte der Bund die fest zugesagte Förderung von FSJ-Plätzen rückgängig machen. Künftig gäbe es nur Gelder für das Freiwillige Soziale Jahr, wenn auch der BFD gefördert werde.

Der Aufschrei bei den Trägern blieb vergleichsweise leise – trotz großer Empörung an der Basis über die Spitzelmethoden des Ministeriums. Nur Christine Haderthauer, CSU-Sozialministerin in Bayern, formulierte deutlich: Das Schröder-Ministerium »zerschießt« sowohl BFD als auch FSJ.

Das genügte, um das Familienministerium zum Einlenken zu bewegen. Wenigstens ein bisschen: Statt der ad hoc verkündeten Kopplung des BFD an das FSJ sichert Berlin für den Jahrgang 2011/2012 die Auszahlung der bereits versprochenen 200 Euro pro FSJ-Platz zu, allerdings nur »kurzfristig den vorzeitigen Maßnahmebeginn für 30.000 Freiwillige«, wie es in einer Vereinbarung von Ministerium und Trägern heißt.

Nun müssen sich die Träger mit der neuen Situation arrangieren. Für jüdische Einrichtungen ist die Möglichkeit der Einflussnahme besonders gering. Denn anders als etwa Caritas oder Diakonie akquiriert die ZWST selbst keine Freiwilligen. Das hat zwar zur Folge, dass für die ZWST der Zwang wegfällt, binnen weniger Monate Tausende BFD-Stellen zu schaffen.

Altersheim Wer sich für einen freiwilligen Dienst etwa in einem jüdischen Altersheim interessiert, sollte sich an eine jüdische Gemeinde oder an die Einrichtung selbst wenden. Die arbeiten meist mit größeren Trägern zusammen, die sie Bewerbern dann nennen. In Frankfurt/Main ist das zum Beispiel die AWO.

Doch der Umstand, dass die jüdischen Einrichtungen so klein sind, bedingt auch, dass ihre Stimme nicht gehört wird, wenn es um die künftige Ausgestaltung geht. Dabei ist ein Angebot wie der BFD »sehr interessant«, wie Dalia Wissgott-Moneta, Leiterin der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, sagt.

Und Jürgen Richter meint, wenn es nun in Deutschland einen zweiten, »zwar mit heißer Nadel gestrickten« Freiwilligendienst gibt, wäre das nicht nur eine ärgerliche staatliche Konkurrenz für das FSJ: Der BFD biete gerade die Chance, auch ältere Menschen für ein ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Speziell für hochqualifizierte Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion, die bislang noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert wurden, könnte das attraktiv sein. »Helfen hat ja im Judentum eine große Tradition«, sagt Richter. Mitmenschen zu unterstützen, ist hier selbstverständlich, »schon den Kindern wird es beigebracht«.

»Wir haben auch im jüdischen Bereich sehr gute junge Leute«, sagt Jürgen Richter. Ganz fatal findet er Überlegungen, Ein-Euro-Jobber für den BFD einzustellen: »Da wird das freiwillige Element zur ordnungspolitischen Maßnahme.« Dabei müsse gerade in Zeiten, in denen sich der Staat aus der Daseinsfürsorge zurückzieht, das freiwillige Engagement gestärkt werden – auch mit privaten Sponsoren. Dazu, so Richter, bedürfe es aber einer anderen Kultur.

Die zu fördern, könne das Judentum durchaus helfen, ganz im Gegensatz zu staatlichen Vorgaben. Und dies ist ein Problem des BFD, das nicht nur Richter wurmt. »Wenn es dazu führt, dass der Bund alles zentral steuert, hätte ich große Bedenken.«

Essay

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Gaza

Bericht: Hamas zu Machtübergabe bereit

Die Terroristen regieren den Küstenstreifen seit 2007 und überziehen Israel seither mit Terrorwellen und Kriegen

 22.04.2025

USA

Harvard wehrt sich mit Klage gegen Regierung

Die Elite-Uni Harvard lehnt es ab, sich weitreichenden Forderungen der Trump-Administration zu unterwerfen. Letztere wirft der Bildungsinstitution unzureichende Maßnahmen gegen Judenhass vor

 22.04.2025

Berlin

Prognose: Hälfte der Holocaust-Überlebenden 2031 nicht mehr am Leben

Der Bericht mache die Dringlichkeit der Bildungsarbeit zur Schoa deutlich, sagt der Präsident der Claims Conference, Gideon Taylor

 22.04.2025

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  21.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  21.04.2025

Reaktionen

Freund und Bruder Franziskus – Juden verabschieden sich vom Papst

Mit Wärme und Respekt würdigen Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und weltweit den Papst. Nicht immer war das Verhältnis von katholischer Kirche und Judentum aber einfach, etwa nach dem 7. Oktober 2023

von Leticia Witte  21.04.2025

Reaktionen

»Mit Papst Franziskus ist ein Freund der jüdischen Gemeinschaft von uns gegangen«

Der Zentralrat der Juden würdigt Papst Franziskus, der am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben ist

 21.04.2025

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus ist am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  21.04.2025