Erst jüngst haben wir den Anschlag auf die Synagoge in Halle erleben müssen. Wenn in diesen Tagen, zum Gedenken an den 9. November 1938, die Formeln »Nie wieder!« oder »Wehret den Anfängen!« zu hören sein werden, dann ist das zu plakativ.
Die Probleme, die zum Anschlag von Halle geführt haben, zeigen ja, dass die Lehren, die aus der Geschichte zu ziehen sind, sehr konkret sind. Antisemitismus ist dabei, wieder zum selbstverständlichen Bestandteil des Alltags zu werden. Rassismus ist längst sagbar geworden.
normalität Fremdenfeindlichkeit gilt schon als Normalität, die eine Wahlentscheidung beeinflusst. Und wir Juden werden dann oft als Opfer betrachtet, die passiv hoffen müssen, dass sich jemand mit einem kräftigen »Nie wieder!« vor sie stellt. Doch so ist es nicht. Die Jüdische Gemeinde zu Dresden etwa hat nach dem Anschlag von Halle viel Solidarität erfahren – nicht nur von der Politik, sondern von Bürgern.
Anderen Gemeinden ist es ähnlich ergangen. Eine Solidaritätskundgebung hat uns gezeigt, dass wir, die Gemeinde, wirklich Teil und Akteur der demokratischen Zivilgesellschaft sind.
Wir erinnern an diesem 9. November an die Pogrome 1938. Und zugleich erinnern wir uns an den Abend 1989, als in Berlin die Mauer durchlässig wurde. Das war ja auch für uns Dresdner Juden eine Möglichkeit, uns freier und breiter zu engagieren, uns neu in die Gesellschaft einzubringen. Auch uns gehören die Freiheitsrechte, die damals erkämpft wurden.
parolen Die AfD ist in die jüngsten Wahlkämpfe mit dem Slogan »Die Wende vollenden« gegangen. Mit solchen Parolen sollen wir und andere gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen werden, als nicht dazugehörig definiert werden. Die solche Parolen rufen, sind es, die uns Juden wieder zu passiven Opfern machen wollen.
Wir sind im Jahr 2019, wir sind in der Bundesrepublik Deutschland, wir wollen das Erreichte verteidigen und zugleich die Erinnerung an die Schoa wachhalten.
Die Autorin ist Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden und der Dresdner Gemeinde.