Meinung

Freiburgs Synagoge und der 9. November

Manchmal tun Menschen Dinge, da möchte man sich nur an den Kopf fassen. Da baut die Stadt Freiburg also nach über zehn Jahren Planung an einer Stelle, die ganz verräterisch »Platz der Alten Synagoge« heißt, und ist allen Ernstes überrascht, etwas von ebenjener alten Synagoge zu finden. In der Presse bezeichnet der zuständige Archäologe vom Landesdenkmalamt die Fundamentreste der Synagoge als eine große Überraschung: »Wir hatten eigentlich nicht damit gerechnet.«

Vielleicht hat man sich einfach darauf verlassen, dass die Nazis 1938 ja schon gründlich gearbeitet haben, wer weiß. Nach angemessenen archäologischen Voruntersuchungen des Platzes sieht das jedenfalls nicht aus.

brunnen Die Stadt ließ also ein Gedenkkonzept entwerfen: An der Stelle der alten Synagoge soll ein Brunnen entstehen, der genau ihrem Umriss entspricht. An sich eine gute Idee, auch die Jüdische Gemeinde stimmte damals zu. Nun behindern aber die gefundenen Steine den Bau des Brunnens. Und einen Alternativplan gibt es nicht. Also müssen die noch erhaltenen Fundamentreste zerstört werden, um der durch die Nazis zerstörten Synagoge gedenken zu können – wenn das nicht logisch klingt.

Die Stadt will dennoch mit der Gemeinde besprechen, wie man nun verfahren solle: Die Gemeinde soll ihre Meinung übermitteln. Sofort. Während der Hohen Feiertage. Die Stadt lädt den Gemeindevorstand zu einer Sitzung der Stadtoberen mit den am Bau beteiligten Ämtern ein. Von heute auf übermorgen; das Treffen findet an Jom Kippur statt – komisch, dass diese Juden da nicht erscheinen, sondern nur ihren Anwalt schicken.

gemeinde Nun wird doch eine Informationsveranstaltung mit den beteiligten Ämtern für die Gemeindemitglieder durchgeführt; die findet an einem Donnerstagvormittag statt – als ob zu dieser Zeit niemand arbeiten müsste. Es kommen aber dennoch etwa 90 Gemeindemitglieder, und die stimmen nach lebhafter Diskussion einstimmig für den Erhalt der Fundamentreste – am selben Tag noch teilt die Stadt mit, dass das Bauvorhaben wie geplant umgesetzt wird.

Warum man nun die Gemeinde überhaupt gefragt hat, bleibt unklar. Vielleicht geht es gar nicht ums Gedenken, sondern um Kostenersparnis? Die Synagogenreste sollen nun Anfang November abgetragen werden, also um den 9. November herum. Symbolischer und absurder geht es kaum. Willkommen in Freiburg!

Der Autor ist Historiker in Freiburg.

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