Es ist ein schöner Herbsttag in Frankfurt. So schön, dass man ihn auch hätte draußen verbringen können. Für André von Schúeck kommt das nicht infrage. Er ist extra tags zuvor aus Düsseldorf nach Frankfurt gereist, um pünktlich auf dem Israelkongress zu sein. Den ganzen Tag in geschlossenen Räumen zu verbringen, ist ihm »die Sache« wert, nämlich seine Solidarität mit Israel zu bekunden.
supergut Zudem erhofft sich der Geschäftsmann von den Vorträgen und Podiumsdebatten Argumentationshilfe. Für Diskussionen mit Israelkritikern möchte er gewappnet sein. Denn sein Herz schlägt, wie von Schúeck sagt, für Israel. Deswegen war er schon beim 1. Kongress dabei, der ebenfalls in Frankfurt stattfand. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr sei diesmal alles »supergut organisiert«.
Die Sicherheitskontrolle am Congress Center Messe Frankfurt passieren im Laufe des Sonntags etwa 3.000 Menschen. Diese Zahl nennt jedenfalls Sacha Stawski, Vorsitzender des Vereins ILI; das Kürzel steht für »I like Israel« (Ich mag Israel). Der Kongress wird gut angenommen, auch etliche nichtjüdische Prominente kommen: etwa DFB-Chef Theo Zwanziger oder Regine Sixt von der Sixt AG als Schirmherrin des Kongresses. Auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth grüßt die Teilnehmer.
meinungsvielfalt Eingeladen waren zum »größten Israelkongress in Europa« all jene, die ihre Sympathie mit dem jüdischen Staat bekunden und mit ihrer Präsenz ein Signal setzen möchten – im Sinne von »Israel, Du bist nicht allein«, so Stawski. Wer dabei sein wollte, musste sich vorher schriftlich anmelden. Schwer zu schätzen, wie viele Gäste tatsächlich aus dem Ausland gekommen sind. Die englische Übersetzung der Vorträge verfolgt im großen Saal eine recht überschaubare Anzahl von Zuhörern.
Die Veranstalter gehen davon aus, dass die Teilnehmer nicht immer einer Meinung sind, auch wenn es sich bei ihnen um »Freunde Israels« handelt. Um Probleme während der vielen parallel stattfindenden Panels zu vermeiden, weist daher Moderatorin Melody Sucharewicz auf die Spielregeln hin: Niemanden anbrüllen, ausreden lassen, nicht dazwischen quatschen. Bei diesem Kongress geht es nicht darum, stellt die smarte Frau im schwarzen Kleid klar, »politischen Konsens zu erzielen«. Die Referenten und Redner spiegelten diese Meinungsvielfalt wider.
»Sich unterschiedliche Meinungen anhören« und sich über Israel informieren, »über das deutsche Medien zu einseitig berichten«, wie es einige Teilnehmer ausdrücken, kann man von 12 bis 18 Uhr. Der eine oder andere ist auch hier, um Bekannte zu treffen und neue Menschen kennenzulernen. Ins Gespräch zu kommen, scheint nicht schwerzufallen. Ein Aufhänger dafür ist das Namensschild, das jeder Teilnehmer bei der Registrierung bekommt und fast jeder auch um den Hals trägt.
Das Stimmengewirr derer, die sich im Foyer an Stehtischen aufhalten, übertönt die Ansprachen aus dem großen Saal, die via Lautsprecher nach draußen übertragen werden. Auch wenn hochkarätige Redner – wie etwa der israelische Vize-Außenminister Danny Ayalon oder Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland – das Wort ergreifen, wird im Foyer weiter geplaudert.
resolution Der Verkauf der Lose verläuft indes nur schleppend, verrät eine der Losverkäuferinnen. An den Gewinnen kann es jedenfalls nicht liegen: Darunter ist etwa eine Reise nach Israel für zwei Personen. Der Erlös aus dem Losverkauf geht an den Verein ILI, damit dieser im nächsten Jahr den 3. Israelkongress veranstalten kann. Ob der auch in Frankfurt stattfinden wird?
Kongressveranstalter Sacha Stawski scheint mit dem Ablauf zufrieden zu sein. Jede Menge Arbeit hatten er und die anderen aus dem Leitungsgremium. Das Ergebnis ist eine reibungslos verlaufende Veranstaltung sowie eine Resolution, die Stawski vorträgt.
Das auch von den vielen Ausstellern unterzeichnete Papier enthält unter anderem die Forderungen nach einem Verbot der libanesischen Terrororganisation Hisbollah in Deutschland sowie nach der Überarbeitung deutscher Schulbücher mit dem Ziel einer »angemessenen, historisch korrekten Darstellung des Nahost-Konflikts«. In vielen Geschichtsbüchern führender Schulbuchverlage, so war neulich in Presseberichten zu lesen, wird Israel einseitig an den Pranger gestellt.
Bamba und Dudu Als Stawski die Resolution vorträgt, ist André von Schúeck mit etwas ganz anderem beschäftigt. Er stöbert auf dem »Markt«, den es im ersten Stock des Congress Center gibt. Keinen Schmuck und auch keine Kosmetika, sondern Kerzen erwirbt er dort. »Die sind für meinen Chanukka-Leuchter im Büro«, erklärt der Düsseldorfer.
Der Geschäftsmann hat das Programm zuvor studiert und weiß, welche Panel und Vorträge er besuchen möchte. Allein sieben Workshops gibt es: Um den »arabischen Frühling« und was er für Israel bedeutet, geht es. Um die Delegitimierung Israels und was man dagegen tun kann. Oder um christliche Unterstützung von Israel.
Zwischendurch schlendert von Schúeck durch die Räume im ersten Stock, in denen Organisationen und Aussteller aus Deutschland und Israel sich vorstellen. Die Bandbreite umfasst Stiftungen, original israelische Bamba-Erdnussflips und Entlüftungsventile. Für letztere interessiert sich von Schúeck weniger. Am Ende des Tages, nach dem Abschlusskonzert mit dem berühmten Broadway-Kantor, ist er zufrieden: »Schön war’s, Dudu Fisher singen zu hören.«