»Wir fliegen Flügel an Flügel über Jerusalem.« Mit diesem Funkspruch meldete sich der israelische Luftwaffenchef Amikam Norkin am Sonntagnachmittag aus dem Cockpit seines F-15-Kampfjets beim gemeinsamen Flug mit dem Chef der Bundesluftwaffe, Ingo Gerhartz. Rund eine Stunde waren beide in der Luft, Gerhartz in einem Eurofighter, der eigens auf der einen Seite in Schwarz-Rot-Gold mit dem Bundesadler und auf der anderen Seite in Blau-Weiß mit dem Davidstern gestaltet war.
Besonders symbolisch sei dabei der Überflug über die Knesset gewesen, das Herzstück der israelischen Demokratie, erklärte Generalleutnant Gerhartz nach der Landung. Er war sichtlich bewegt, sprach von »einem der emotionalsten Momente« seines Lebens: »Ich empfinde tiefe Dankbarkeit, dass ich das machen durfte, als deutscher Luftwaffenchef mit einem Kampfflugzeug über Israel zu fliegen.«
Wenige Stunden zuvor hatten beide die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht, um dort gemeinsam der Opfer der Schoa zu gedenken. Nach einem Rundgang mit anschließender Kranzniederlegung betonte Gerhartz die fortwährende Verantwortung Deutschlands. Auf Deutsch und Hebräisch sagte er: »Niemals wieder, LeOlam lo od.«
judenretter Yad Vashem mit dem Inspekteur der deutschen Luftwaffe zu besuchen, sei für ihn kein gewöhnliches Ereignis, sagte Norkin. Er erinnerte an den Besuch der israelischen Luftwaffe in Deutschland im August vergangenen Jahres, dabei waren die Luftwaffenchefs über das ehemalige Konzentrationslager Dachau geflogen.
Die Luftwaffenchefs beider Länder ehrten in Yad Vashem den Deutschen Karl Laabs.
Beide ehrten anschließend in Yad Vashem den deutschen Feldwebel Karl Laabs, der in der Schoa zahlreichen polnischen Juden das Leben gerettet hatte. Für den »Gerechten unter den Völkern« wurde vor einigen Jahren ein Baum gepflanzt, vor dem die Luftwaffenchefs nun verharrten und salutierten.
Gerhartz berichtete Norkin, dass das Lehrgebäude der Unteroffiziersschule der Luftwaffe im schleswig-holsteinischen Appen zukünftig den Namen »Feldwebel Laabs Zentrum« tragen soll. Das Leben und Handeln Laabs’ soll auch Teil der Ausbildung der angehenden Unteroffiziere werden.
kooperation Zu diesem Anlass wolle er junge israelische Luftwaffensoldaten nach Deutschland einladen. Im Gegenzug sei der Aufenthalt deutscher Soldaten mit ihren Familien in Israel geplant. »Ich freue mich, die Kooperation fortzusetzen«, sagte Gerhartz. »Wir müssen fortsetzen, was wir begonnen haben: Menschen zueinander zu bringen.«
In der Negev-Wüste begann ein Manöver mit Italien, Frankreich, Indien und Großbritannien.
Begegnungen nicht nur zwischen israelischem und deutschem Luftwaffenpersonal, sondern auch mit Crews aus weiteren Nationen, darunter Großbritannien, Italien, Frankreich und Indien, gab es dann auf der Uvda-Airbase in der Negev-Wüste.
Dort begann am Sonntag eine internationale Großübung, ein bis zum 28. Oktober dauerndes Manöver mit dem Titel »Blue Flag«. Während der Übung simulieren die Teilnehmer Luft-Kämpfe und Boden-Luft-Kämpfe, üben den Umgang mit der Bedrohung durch fortschrittliche Boden-Luft-Raketen und den Kampf hinter feindlichen Linien, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Ziel sei die Stärkung der strategischen internationalen Zusammenarbeit sowie das Erlernen und Vertiefen der Koordination von Flugzeugen in einem herausfordernden Einsatzumfeld.
eurofighter An dem Manöver nehmen sechs deutsche Kampfjets vom Typ Eurofighter und mehr als 150 Soldaten der Bundesluftwaffe teil, unter Leitung des Luftwaffengeschwaders 31 aus Nörvenich bei Köln.
Pilot Dennis R. hat einen der Eurofighter überführt und fliegt ihn auch während der Übung: »Es ist für uns eine Ehre, dass wir hierherkommen dürfen.« Der Hauptmann hat bereits seit dem letzten Besuch israelischer Piloten in Deutschland Kontakt zu seinen Kollegen. »Wir haben Verbindungen aufgebaut. Die stärken wir jetzt hier.«
In Begleitung von Luftwaffenchef Gerhartz war auch Militärbundesrabbiner Zsolt Balla auf der Uvda-Airbase. Dort konnte er mit zahlreichen Soldaten sprechen. »Wenn ich hier sehe, wie die unterschiedlichen Nationen zusammenarbeiten können und wie groß die gegenseitige Akzeptanz ist, dann gibt mir das Hoffnung und ein sehr gutes Gefühl für die Zukunft«, sagte Balla.
heron-drohnen Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Uwe Becker, meinte, dass die deutsche Beteiligung an der Großübung und die Sicherheitskooperation insgesamt deutlich machten, was unter dem Bekenntnis zur Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson zu verstehen sei.
Dieses Bekenntnis war von Bundeskanzlerin Angela Merkel erst wenige Tage zuvor in Jerusalem wiederholt worden, und er habe keinen Zweifel daran, dass dies ebenfalls für zukünftige Regierungen gelten werde. Man sollte mit dem Begriff »historisch« vorsichtig sein, so Becker. »Doch ich meine, es ist historisch, wenn dies von beiden Luftwaffengenerälen und ihren Teams so unterstrichen wird wie heute.«
Ein Oberstleutnant aus Deutschland ist in Israel derzeit fest stationiert.
Wie sich darüber hinaus die Zusammenarbeit entwickelt, davon konnte sich Luftwaffenchef Gerhartz am Montagvormittag einen Eindruck verschaffen. Bei einem Besuch der Tel-Nof-Airbase informierte er sich über die Ausbildung deutscher Soldaten zur Nutzung des unbemannten Aufklärungsflugzeugs Heron. Am Simulator durfte er selbst die Drohne steuern. Eine neuere, größere und technisch besser ausgestattete Version, Heron TP, konnte er ebenfalls in Augenschein nehmen.
zukunft Seit 2019 läuft das Ausbildungsprogramm in deutsch-israelischer Kooperation. Die künftigen Nutzer lernen, wie sie die Drohne starten, fliegen, landen und wie sie die Kamera bedienen. Oberstleutnant H. ist von Anfang an in Tel Nof im Einsatz. Er ist der einzige deutsche Soldat, der in Israel derzeit fest stationiert ist. Die Zusammenarbeit erlebt er als positiv, er beschreibt sie als ein sehr professionelles Miteinander.
Die Kooperation habe sich in eine Freundschaft weit über den Dienst hinaus entwickelt. »Und vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte ist es eine ganz besondere Entwicklung, als deutscher Offizier hier sein und den täglichen Dienst verrichten zu dürfen.«
Vielleicht hatte Israels Luftwaffenchef Norkin diese und ähnliche Entwicklungen im Sinn, als er in seinem Funkspruch während des Überflugs am Sonntagnachmittag betonte, dass man an die dunkelste Vergangenheit erinnere, »während der Blick in eine Zukunft der Hoffnung geht«.