Kein Flaggenverbot
Die Bundesregierung will gegen das Zeigen von Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen aus der Kaiserzeit vorgehen, verzichtet aber auf eine gesetzliche Regelung im Strafrecht. Ein sogenannter Mustererlass für Polizei und Ordnungsbehörden sei zielführender als eine Erweiterung strafrechtlicher Tatbestände, heißt es laut »Tagesspiegel« in einem Schreiben des Innen- und Justizressorts vom Februar an die Deutsch-Israelische Juristenvereinigung. Nachdem Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten mit schwarz-weiß-roten Fahnen im August 2020 in Berlin versucht hatten, das Reichstagsgebäude zu stürmen, hatte die Juristenvereinigung dem Bericht zufolge Innenminister Horst Seehofer (CSU) um die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens gebeten. Im Dezember hatte auch das Bundesland Bremen vor der damals bevorstehenden Innenministerkonferenz (IMK) für einen einheitlichen Kurs gegen das Zeigen von Reichskriegsflaggen in der Öffentlichkeit geworben. »Diese Fahnen werden von rechtsextremistischen Gruppen zunehmend als Symbol und Ersatz für die verbotene Hakenkreuzfahne genutzt«, sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer. dpa
Schächt-Urteil
Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer (FDP), hat den Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Gemeinschaften in der Europäischen Union betont. Beer sprach am vergangenen Montag bei einem Online-Symposium in Frankfurt am Main von einer »Zeit des wachsenden Antisemitismus«. Die Verhältnisse müssten daher politisch so gestaltet werden, dass jüdisches Leben, das in der europäischen Gesellschaft tief verwurzelt sei, hier »gedeihen« könne. Beer machte ihre Auffassung am Beispiel der von Rabbinern kritisierten Entscheidung des Europäische Gerichtshofs (EuGH) zum rituellen Schlachten von Tieren deutlich. Der EuGH hatte im Dezember 2020 entschieden, dass EU-Länder eine Betäubung von Tieren auch im Rahmen religiöser Schlachtungen vorschreiben dürfen. Die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) hatte darin das Recht auf freie Religionsausübung infrage gestellt gesehen. Beer betonte nun, es müsse verhindert werden, dass Juden an Auswanderung denken, weil sie befürchten, in Europa einen so wichtigen Teil ihrer religiösen Praxis nicht leben zu können. In der EuGH-Entscheidung hieß es mit Blick auf ein flämisches Schächtverbot, dass die maßgebliche Vorschrift zur Betäubung der Tiere zwar die Ausübung der Religionsfreiheit einschränke, dies aber gemessen am Tierschutz im Rahmen sei. Beer hält eine »ausbalancierte Lösung« zwischen Religionsfreiheit und Tierschutz in einer Weise für nötig, »dass man die praktischen Möglichkeiten, jüdische Traditionen im Alltag zu leben, nicht juristisch untergräbt«. kna
Sachsen: Antisemitische Straftaten
Die Zahl antisemitischer Straftaten in Sachsen ist 2020 erneut gestiegen. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der sächsischen Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke) hervor. Demnach sind 2020 mehr als 170 antisemitische Fälle polizeibekannt geworden. Die Fallzahl sei damit das vierte Jahr in Folge deutlich gestiegen. Die mit Abstand meisten Vorfälle wurden 2020 erneut in Leipzig und Dresden registriert. Es folgten die Landkreise Bautzen, Meißen und Nordsachsen. Eher gering war das Fallaufkommen laut Innenministerium in den Kreisen Görlitz, Zwickau und im Vogtland. Rund 84 Prozent der Vorfälle waren sogenannte Propagandadelikte, darunter vor allem Volksverhetzungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In die Statistik gingen aber auch 16 Sachbeschädigungen sowie einige Fälle von Beleidigung und Bedrohung ein. In 50 Fällen handelte es sich um sogenannte Hass-Postings im Internet. Anzunehmen sei ein erhebliches Dunkelfeld antisemitischer Straftaten, hieß es. In die Statistik gehen demzufolge nur Fälle ein, die der Polizei mitgeteilt werden und bei denen eine strafrechtliche Relevanz naheliegt. Im Bereich der sächsischen Staatsanwaltschaften wurden 2020 lediglich 14 Verurteilungen wegen antisemitischer Straftaten gezählt. epd