Herr Minister, Sie haben Internetportalen eine Frist gesetzt, gegen Hasspostings vorzugehen. Gibt es schon Reaktionen?
Ja, ich erwarte von den Netzwerkbetreibern, dass sie bis zum Abschluss unserer Überprüfung Anfang 2017 deutlich mehr strafbare Inhalte löschen. Unternehmen, die mit sozialen Netzwerken sehr viel Geld verdienen, trifft auch eine gesellschaftliche Verpflichtung: Kein Unternehmen kann ein Interesse daran haben, dass seine Plattform missbraucht wird, um dort Straftaten zu begehen. Wir haben mit Facebook, Twitter und Google eine Taskforce eingerichtet, um das Thema Hasskriminalität im Netz anzugehen. Jetzt haben wir überprüfen lassen, ob sich etwas verbessert hat. Wir haben festgestellt, dass, wenn Organisationen wie jugendschutz.net Hasskommentare an Facebook melden, strafbare Einträge relativ schnell gelöscht werden. Wenn aber normale Nutzer etwas melden, wird bei Twitter nur ein Prozent und bei Facebook 46 Prozent gelöscht. Das ist natürlich viel zu wenig. Die Plattformen müssen ihre Kunden ernster nehmen. Nächstes Jahr ziehen wir abschließend Bilanz.
Womit müssen Twitter und Co. rechnen?
Sollte sich die Situation nicht verbessern, müssen wir dringend Konsequenzen ziehen und die Unternehmen noch stärker in die Pflicht nehmen. Wir denken darüber nach, ob wir die Anbieter der Plattformen für nicht gelöschte strafbare Inhalte auch haftbar machen sollten. Und: Wir können uns zudem vorstellen, soziale Netzwerke zu verpflichten, in überschaubaren Zeitabständen öffentlich zu berichten, wie viele Beschwerden zu illegalen Hasskommentaren es gegeben hat und wie sie damit umgegangen sind. Dann wird für alle transparent, wie viele Meldungen und wie viele Löschungen es gibt. Auch das würde den Druck auf Facebook und Co. erhöhen.
Judenhass im Netz ist ein besonderes Problem. Hilft Ihr Vorgehen da?
Ja. Wenn Jüdinnen und Juden mit strafbaren Hassparolen im Netz angegriffen werden, dann dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Unser Rechtsstaat darf das niemals dulden und die Betreiber sozialer Netzwerke auch nicht. Ganz klar: Bei Antisemitismus muss auch auf Facebook null Toleranz gelten.
Oft wird das Fehlen klarer Richtlinien bemängelt.
Die Kriterien im Strafgesetzbuch und auch in der Rechtsprechung sind klar. Straftaten, denen antisemitische Bestrebungen zugrunde liegen, sind etwa solche gegen Personen wegen tatsächlicher oder vermuteter Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft oder die Verunglimpfung jüdischer Opfer des Nazi-Regimes. Dazu zählt auch die Schoaleugnung. Das muss konsequent verfolgt werden. Wenn die Grenzen zur Straftat überschritten sind, muss die Justiz ermitteln und die Täter konsequent zur Rechenschaft ziehen. Und: Es gibt mittlerweile regelmäßig Verurteilungen wegen Volksverhetzung oder der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten. Das sollte allen eine Warnung sein, bevor sie antisemitische Hetze im Netz posten. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Die Fragen an den Bundesjustizminister stellte Martin Krauß.