Meinung

Finkelstein und die Wissenschaft

Achim Doerfer Foto: Mirko Plha

Leser, so sagte ganz richtig Patrick Bahners über Sachbücher, »nehmen an, dass die Fakten nach wissenschaftlichen Standards geprüft sind und dass die Interpretation diese gesicherten Fakten zum Fundament hat«. Man darf den FAZ-Redakteur so verstehen, dass er ein Buch, das dem nicht genügt – konkret ging es um das Werk Große Seeschlachten – nicht publiziert sehen will.

Denn das ist der Unterschied zwischen einer Meinungsäußerung, die auch als Unsinn geschützt ist, und Wissenschaft: Dort ist Recht, ja Pflicht, immer wieder das Unwissenschaftliche streng auszugrenzen. Auch wenn unsere Verfassung Wissenschaftsfreiheit weit fasst, darf gleichzeitig die wissenschaftliche Gemeinschaft bestimmen, was Wissenschaft ist.

chemtrails Wer von Chemtrails schwadroniert, kann das als Meinung äußern, im Wissenschaftsbetrieb hat er nichts zu suchen. Der Astronom kann sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, der Astrologe hat kein Recht darauf, Vorträge in wissenschaftlichen Einrichtungen zu halten. Genau das sprachen die Grünen im Bundestag an, als sie die Bundesregierung um Auskunft baten, was sie zu Auftritten des notorischen Israel-Bashers Norman Finkelstein sagt.

Dies verkennt nun Bahners in der FAZ, wenn er an anderer Stelle die Grünen dafür harsch kritisiert und von Wissenschaftspolizei schreibt. Es ging um Vorträge Finkelsteins, die er im Januar im Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle im Rahmen des (hoffentlich wissenschaftlichen) Forschungsschwerpunkts Recht und Anthropologie gehalten hat.

fragen Die Grünen wollten wissen, ob es sich »um einen wissenschaftlich begründeten« Vorgang handelt – und verwiesen auf Objektivität und Pluralität. Da man bei Finkelstein daran begründete Zweifel haben darf, ist es eine berechtigte Frage. Bahners will Finkelsteins Thesen jedoch als Wissenschaft stehen lassen und den Protest dagegen nur als Ausfluss der Meinungsfreiheit sehen.

Dabei ist es doch ganz einfach: Wenn Finkelsteins Äußerungen nach den üblichen Maßstäben Wissenschaft sind, dann mag er sich äußern, und man muss das kontrovers diskutieren. Wenn das nicht so ist, sondern etwa nur politische Propaganda, dann hat er in einer wissenschaftlichen Institution wie dem Max-Planck-Institut nichts zu suchen. Oder soll das Thema Israel etwa nach anderen Maßstäben betrachtet werden als historische Seeschlachten?

Der Autor ist Publizist, Anwalt und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Göttingen.

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