Im Innenhof der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße fand am Dienstagmittag der Festakt zum 70-jährigen Bestehen des Zentralrats der Juden in Deutschland statt. Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, begrüßte zahlreiche prominente Ehrengäste. Wegen der Corona-Pandemie musste die Zahl der Teilnehmer beschränkt werden.
Zentralratspräsident Josef Schuster sagte in seiner Rede, die Gründerinnen und Gründer der jüdischen Gemeinden und des Zentralrats der Juden hätten Deutschland »einen riesigen Vertrauensvorschuss gegeben«. Bis heute verdiene diese jüdische Pioniergeneration »unsere tiefe Anerkennung und unseren Respekt. Sie legte das Samenkorn, ohne das es heute kein jüdisches Leben in Deutschland gäbe«.
PAUL SPIEGEL Schuster zitierte aus der Rede des damaligen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel zum 50-jährigen Bestehen des Zentralrats. Spiegel habe nüchtern festgestellt: »Die Liebe der Juden zu Deutschland hat sich auf Dauer eben nur als eine einseitige Liebe herausgestellt.«
Paul Spiegel habe seine Aussage auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und die Schoa bezogen, unterstrich Schuster. »Heute müssen wir fragen: Handelt es sich noch immer um eine einseitige Liebe? Ich würde trotz allem sagen: Nein. Die Zuneigung der jüdischen Gemeinschaft zu ihrer Heimat Deutschland ist keine Einbahnstraße. Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter uns. Ebenso die etablierten Parteien.«
Heute, 75 Jahre nach der Schoa, sei die jüdische Gemeinschaft »erneut bereit, Deutschland, unserem Zuhause, einen Vertrauensvorschuss zu geben«, sagte Josef Schuster.
ANGELA MERKEL Ganz besonders hob Schuster »das seit Jahren herausragende Engagement der Bundeskanzlerin hervor: Es ist uns eine Ehre und große Freude, sehr geehrte Frau Merkel, dass Sie heute den Festvortrag halten«, so der Zentralratspräsident.
Heute, 75 Jahre nach der Schoa, sei die jüdische Gemeinschaft »erneut bereit, Deutschland, unserem Zuhause, einen Vertrauensvorschuss zu geben«. Es sei »in unser aller Interesse, dass dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird«, erklärte Schuster.
Kanzlerin Merkel sagte in ihrem Festvortrag, in den 70 Jahren seines Bestehens habe sich der Zentralrat der Juden »um unser Land verdient gemacht«. Zum Zentralratsjubiläum gratulierte die Kanzlerin im Namen der ganzen Bundesregierung. 70 Jahre Zentralrat der Juden in Deutschland seien »alles andere als selbstverständlich«.
Sie bewundere die Kraft, die dessen Gründer nach der Schoa für diesen »riesigen Vertrauensvorschuss« aufbrachten, so die Kanzlerin in ihrer Rede weiter. Heute sei die jüdische Gemeinschaft in Deutschland die drittgrößte Europas und jüdisches Leben ein »konstitutiver Teil« Deutschlands.
ZIVILISATIONSBRUCH Über die Neue Synagoge Berlin sagte Angela Merkel: »Dieser Ort hier, an dem wir heute sind, zeugt von dem unwiederbringlichen Verlust durch den Zivilisationsbruch der Schoa – für das Judentum, für unser Land und für Europa. Wo heute nur einige Säulen an den Toraschrein erinnern, stand einst das größte jüdische Gotteshaus Deutschlands.«
»Die Synagoge Oranienburger Straße war nicht nur ein religiöser, sondern auch ein kultureller und geistiger Mittelpunkt Berlins«, so Merkel weiter. »Doch zugleich zeugt dieser Ort davon, wie im Bewusstsein der immerwährenden Verantwortung Deutschlands für das im Nationalsozialismus begangene Menschheitsverbrechen eine gute Zukunft gestaltet werden kann.«
Musikalisch wurde der Festakt durch den Star-Geiger Daniel Hope und den Berliner Kantor Isidoro Abramowicz gestaltet.
Zu den Gästen gehörten unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und seine Vizepräsidenten Hans-Peter Friedrich (CSU), Wolfgang Kubicki (FDP), Petra Pau (Die Linke) und Claudia Roth (Grüne). Aus dem Bundeskabinett kamen Außenminister Heiko Maas (SPD), Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesbildungsminuisterin Anja Karliczek (CDU).
GÄSTELISTE Gekommen waren auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, Annette Widmann-Mauz (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in seiner Funktion als Bundesratspräsident, der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke).
Ferner zählten zu den Gästen: Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder, Ex-Außenminister Joschka Fischer, Bundespräsident a.D. Horst Köhler, FDP-Chef Christian Lindner, die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjan, der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, sowie zahlreiche andere prominente Politiker und Vertreter von Gesellschaft und Religion, unter ihnen Heinrich Bedform-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), und der Berliner Erzbischof Heiner Koch.
Ferner nahmen die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, Hetty Berg, Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der frühere Außenminister Joschka Fischer, Alt-Bundespräsident Horst Köhler und Christina Rau an dem Festakt teil.
Mehrere Träger des vom Zentralrat der Juden vergebenen Leo-Baeck-Preises fanden sich ebenfalls im Innehof der Neuen Synagoge ein: Volker Beck, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Matthias Döpfner, und die Schauspielerin Iris Berben. Auch die Verlegerin Friede Springer gab sich die Ehre.
Als Vertreter des diplomatischen Corps in Berlin war Aaron Sagui, Gesandter der Botschaft des Staates Israel, anwesend. Auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Uwe Becker, war gekommen.
PRÄSIDIUM Im Publikum saßen ferner die Zentralratsvizepräsidenten Abraham Lehrer und Mark Dainow und die Präsidiumsmitglieder Barbara Traub, Küf Kaufmann, Ran Ronen, Milena Rosenzweig-Winter und Harry Schnabel sowie Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann und der Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), Aaron Schuster.
Der Festakt wurde von ARD und RBB live übertragen. Der Zentralrat der Juden übertrug die Veranstaltung ebenfalls per Livestream und 360-Grad-Video. Etwa 1700 VR-Brillen waren vorab an Gäste und Journalisten verschickt worden, die wegen der zahlenmäßigen Begrenzung der Teilnehmer nicht persönlich kommen konnte. ja
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