Bei den Bundestagswahlen haben vor allem die Ränder Erfolge erzielt. Die ostdeutschen Bundesländer sind fast komplett blau-braun. Auf der linken Seite des politischen Spektrums triumphierte Die Linke gegenüber der Abspaltung BSW, die den Sprung in den Bundestag knapp verfehlt hat.
Gerade in Berlin kam es am Sonntag zu Entwicklungen, die kaum jemand für möglich gehalten hätte. Nicht einmal Die Linke selbst konnte so richtig glauben, dass sie ihr Ergebnis in Berlin seit den letzten, teilweise wiederholten Bundestagswahlen fast verdoppelte und nun 19,9 Prozent erreichte. Damit wurde sie die stärkste Partei in der Hauptstadt. Die Union kam mit 18,3 Prozent auf den zweiten Platz, die Grünen mit 16,8 Prozent auf den dritten.
Dabei bleibt es nicht: Das bisherige Abgeordnetenhaus-Mitglied Ferat Koçak holte sich in Neukölln ein Direktmandat für den Bundestag, indem er dort trotz – oder wegen – verstörender Aussagen zu Israel und Gaza auf 30 Prozent kam.
Erstes Direktmandat im Westen
Nicht nur schaffte der 1979 in West-Berlin geborene Sohn kurdischer Einwanderer aus Anatolien diesen Erfolg auf Anhieb, bei seiner ersten Kandidatur für den Bundestag. Er ist auch noch das erste Mitglied der Linken, das jemals ein Direktmandat außerhalb des Gebiets der früheren DDR holte.
Zwar hat Ferat Koçak die Massaker der palästinensischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 stets verurteilt, wenn er sich offiziell zur Lage im Nahen Osten äußerte. Jedes Mal fand er jedoch erstaunlich schnell einen Schuldigen für die Situation in Gaza, nämlich Israel.
Ein anschauliches Beispiel stellt seine Antwort auf eine vor gut einem Monat von einem potenziellen Wähler gestellte Frage auf der Webseite »Abgeordnetenwatch« dar: »Wie ist Deine Haltung zu den Ereignissen des 7.10.2023 in Israel bzw. Gaza?«
Einseitig und komplett
In dieser Antwort verurteilt er den Terror der Hamas im ersten Satz, mit dem Hinweis, jedes zivile Opfer sei eines zu viel. Im zweiten Satz ist er bereits bei von der Hamas verbreiteten Opferzahlen und der Reaktion der israelischen Regierung, die »allerdings vollkommen unverhältnismäßig« sei.
Zugleich bezichtigt Koçak die Bundesregierung, den Krieg kritiklos zu unterstützen: »Die deutsche Regierung schweigt und liefert weiter Waffen an Israel.« Auch verteidigt er diejenigen, die seit dem 7. Oktober 2023 fast täglich israelfeindliche Demonstrationen organisieren und an diesen teilnehmen – unter dem Deckmantel »pro-palästinensisch«.
»Antifaschismus und Klimagerechtigkeit«
»Wenn Menschen hier in Neukölln auf diese Situation aufmerksam machen, begegnen ihnen Polizei und Grundrechtseinschränkungen«, behauptet er. Dabei sind Demonstrationen gegen Israel nicht verboten, wohl aber die Verherrlichung von Terror und Forderungen nach der Vernichtung eines Staates.
Die Linke präsentierte ihren Kandidaten für die Bundestagswahl auf ihrer Webseite, ohne seine Verschwörungsmythen über Israel auch nur zu erwähnen. Der gebürtige Kreuzberger selbst verfasste sein Partei-Profil, in dem es heißt, er wolle sich »an der Seite der sozialen Bewegungen« auf den Straßen »für Antirassismus, Antifaschismus und Klimagerechtigkeit« einsetzen.
Corbyn ein- und ausgeladen
Koçaks Bezirksverband in Neukölln ist für israelfeindliche Positionen bekannt. Unlängst organisierte er einen Wahlkampfauftritt des früheren Chefs der britischen Labour-Partei Jeremy Corbyn, dem seit Jahren vorgeworfen wird, Judenhasser zu sein und der bereits 2009 die Hamas als »Freunde« bezeichnet hatte. Erst nach heftiger Kritik daran wurde er wieder ausgeladen.
Als es nach einem erbitterten Antisemitismus-Streit innerhalb der Linken zum Ausschluss von Ramsis Kilani kam, dem Sprecher der israelfeindlichen Gruppe »Palästina spricht«, wandte sich eben dieser Bezirksverband gegen diese Entscheidung durch das Schiedsgericht der Linken.