Analyse

Feind als Vorbild

Inmitten von über 20 arabischen Despotien ist Israel die einzige Demokratie, obendrein noch wirtschaftlich erfolgreich. Foto: Montage: Marco Limberg

Wir Muslime haben ein Problem: Nirgendwo ist der Antisemitismus so stark verbreitet wie in islamisch geprägten Gesellschaften. In Staaten wie Bahrain, Iran oder Saudi-Arabien etwa strahlen staatliche TV-Sender zur Hauptsendezeit ihre Hetzbotschaften in die Welt hinaus und vergiften ihre Zuschauer mit antisemitischer Kampfpropaganda. Kindersendungen verbreiten judenfeindliche Klischees und beschwören fatale Märtyrer-Legenden. Der Hass auf Juden gehört hier zum Kern des Geschichts- und Nationalkundeunterrichts.

Sogar Hitlers Vorstellung von einer jüdischen Weltverschwörung kommt – insbesondere bei den Arabern, die selbst unter dem permanenten Gefühl der Erniedrigung und Niederlage leiden – sehr gut an. Mein Kampf und die Protokolle der Weisen von Zion sind seit Jahrzehnten Dauerbestseller in der islamischen Welt. Auf der Website der Hamas wird aus den Protokollen zitiert, als handle es sich bei diesem antijüdischen Pamphlet nicht um eine Fälschung, sondern um den tatsächlichen Beleg für eine jüdische Weltverschwörung.

ideologie Über Internet und Satellitenfernsehen gelangt dieser Hass fatalerweise auch nach Deutschland. Die Auswirkungen dieser antisemitischen Ideologie machen sich mittlerweile auch bei uns bemerkbar. In Berlin, Duisburg, München oder Frankfurt gibt es wieder No-go-Areas, in denen Juden sich mit Kippa und Schläfenlocken nicht ungefährdet aufhalten können. Selbst – oder vielleicht gerade – bei säkularen jungen Muslimen ist der Hass auf Juden so weit verbreitet, dass er sich jederzeit in brutalen Angriffen wie den auf den Berliner Rabbiner Daniel Alter entladen kann.

In anderen westeuropäischen Staaten ist die Situation noch schlimmer. Viele Juden in Frankreich zum Beispiel sehen wegen des wachsenden muslimischen Antisemitismus in ihrer Heimat keine Zukunft mehr für sich. Immer mehr jüdische Franzosen machen Alija und versuchen, in Israel Frieden zu finden. Diese Entwicklung wird es früher oder später auch in Deutschland geben, wenn die hiesige muslimische Community sich nicht entschlossen vom Antisemitismus distanziert.

Für Letzteres gibt es jedoch wenig Anzeichen. Stattdessen macht das Gros der Muslime Israel und die Juden für ihre Probleme – geringere Bildungsabschlüsse und höhere Arbeitslosenquoten als in der Mehrheitsgesellschaft – verantwortlich. Das ist einfach und bequem. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst wären, würden sie sich fragen: Was machen wir falsch? Indes heißt es bloß: Der Westen, Israel und die jüdische Weltverschwörung sind an unserem Elend schuld! Es ist dies die alte Krankheit der Muslime: Ohnmacht und Allmacht – zwischen diesen beiden Polen gibt es kaum Alternativen.

stachel
Israel ist nicht zuletzt deshalb der Stachel im Fleisch vieler Muslime. Der jüdische Staat führt ihnen schonungslos vor Augen, was mit Fleiß, Bildung und Offenheit möglich ist. Er zeigt, dass Menschen trotz Unterdrückung in hohem Maße erfolgreich sein können. Inmitten von über 20 arabischen Despotien ist Israel die einzige Demokratie, die obendrein auch noch wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich ist. Das kränkt die Muslime ungemein.

Dabei könnten Israel und das Judentum ein Vorbild für die gesamte islamische Gesellschaft sein. Der jüdische Staat hat alles, was der arabischen Welt fehlt: eine echte Demokratie, eine funktionierende Ökonomie und den Glauben an die Unteilbarkeit der Menschenwürde. Doch Hass und Ressentiments sind auf muslimischer Seite oftmals zu groß. Statt eine Zusammenarbeit mit Israel zu wagen, werden Juden weiterhin entmenschlicht und Aggressionen gegen alles Jüdische geschürt.

Angesichts dessen bedarf es eines tiefgreifenden Umdenkens in der muslimischen Gemeinschaft. Wenn Marokkaner in Casablanca, Pakistaner in London, Tunesier in Berlin und Somalis in Kopenhagen die gleichen antisemitischen Ressentiments pflegen und von der Vernichtung aller Juden fantasieren, läuft etwas fundamental falsch. Wenn Muslime weltweit Mein Kampf und die Protokolle der Weisen von Zion begeistert lesen, aber keine Ahnung von Spinoza haben, dann haben sie die Bedeutung des Lesens nicht verstanden.

fanatiker Wenn ein muslimischer Fanatiker in Taliban-Tracht, ohne Angst haben zu müssen, in Frankfurt seine Hasspredigten auf offener Straße verkünden kann, während ein Rabbiner in Offenbach angegriffen wird, dann ist das auch ein gesamteuropäisches Problem. Wenn ganze Stadtviertel in London von der muslimischen Religionspolizei kontrolliert werden, während Juden aus dem schwedischen Malmö fliehen, dann ist das Zusammenleben in Europa gefährdet.

Der Antisemitismus ist Symptom einer alten Krankheit, die immer wieder ausbricht. Er ist allerdings nicht nur Ausdruck einer gefährlich gestörten Selbstwahrnehmung der Muslime, sondern gedeiht auch aufgrund der zunehmenden Gleichgültigkeit vieler Europäer, die dem offenbar wenig entgegensetzen können – oder wollen.

Der Autor ist deutsch-ägyptischer Politologe. Soeben ist sein neues Buch »Der islamische Faschismus« erschienen.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  04.05.2025

Brandenburg

1200 Menschen gedenken der Befreiung des KZ Ravensbrück

28.000 Menschen wurden in dem Konzentrationslager während der Schoa getötet

 04.05.2025

Umfrage

48 Prozent der Deutschen für AfD-Verbot

61 Prozent der Befragten halten die Partei außerdem für rechtsextrem

 04.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Meinung

Israelfeinde gegen Pressefreiheit

Journalisten sind immer häufiger Anfeindungen von »propalästinensischen« Aktivisten ausgesetzt. Das ist auch ein Angriff auf das Fundament unserer Gesellschaft

von Erica Zingher  02.05.2025

Interview

»Deutschlands Vorbildrolle steht radikal infrage«

Oliver von Wrochem über 80 Jahre Kriegsende, eine stärker werdende AfD und NS-Gedenkstätten als gesellschaftspolitische Akteure

von Sebastian Beer  02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Schritt des Verfassungsschutzes, die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen

von Anne-Beatrice Clasmann  02.05.2025