Das Papier ist 266 Seiten dick, trägt den sperrigen Titel »Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des ›Zwickauer Trios‹« und bedeutet eine schallende Ohrfeige für sämtliche in Thüringen für den Rechtsextremismus zuständigen Behörden: Verfassungsschutz, Justiz, Polizei. Überall wurden nach Ansicht der Gutachter unter Leitung von Gerhard Schäfer dramatische Fehler gemacht. Der frühere Bundesrichter bewertete deren Arbeit als »katastrophal« und »erbärmlich«.
Versagen Gerade die Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes sei ein »belastendes Kapitel«. Die Behörde hatte die von V-Leuten ermittelten Erkenntnisse zu den drei mutmaßlichen Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nie systematisch ausgewertet. Dabei hätten die Informationen eindeutig auf die Existenz einer terroristischen Zelle hingewiesen. Der Verfassungsschutz des Bundeslandes habe sogar in mehreren Fällen dafür gesorgt, dass polizeiliche Durchsuchungen vorab angekündigt worden wären. Ein V-Mann sei informiert worden; der habe vermutlich das NSU-Trio gewarnt.
Dem Trio werden zehn Morde zur Last gelegt, neun an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern, einer an einer deutschen Polizistin. Keine Hinweise fand die Schäfer-Kommission darauf, dass Zschäpe, Böhnhardt oder Mundlos selbst beim Verfassungsschutz als Spitzel geführt worden sind, wie mitunter vermutet wurde.
Kritik Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags erklärte der frühere Innenminister Franz Schuster (CDU) jedoch am Montag: »Ein Fehlverhalten kann ich nicht entdecken.« Als Schuster 1994 sein Amt aufgab, sei die Struktur gut entwickelt gewesen. Nachfolgende Innenminister und Behördenchefs sollen von dem Ausschuss noch angehört werden. In der Kritik stehen etwa der frühere Innenminister Richard Dewes (SPD) sowie ehemalige Chefs von Landesverfassungsschutz und -kriminalamt.
Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung Jena, Reinhard Schwabe, sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass in den frühen 90er-Jahren fehlende Jugendarbeit in der Stadt als Teilursache für das Entstehen einer rechtsextremen Szene betrachtet werden müsse. Handlungsbedarf habe bestanden, auch die späteren NSU-Terroristen seien damals in Jena sozialisiert worden, »jedoch wurden sozialpolitische Schlussfolgerungen erst bis 2010 umgesetzt«, so Schwabe. ja