Meinung

Fehler mit Folgen

Das Wiesenthal Center wird erst wieder relevant, wenn es seinen Fehler einsieht, Michael Blume von der Liste streicht und sich bei ihm entschuldigt – persönlich und öffentlich

von Arye Sharuz Shalicar  06.01.2022 06:07 Uhr

Arye Sharuz Shalicar Foto: Uwe Steinert

Das Wiesenthal Center wird erst wieder relevant, wenn es seinen Fehler einsieht, Michael Blume von der Liste streicht und sich bei ihm entschuldigt – persönlich und öffentlich

von Arye Sharuz Shalicar  06.01.2022 06:07 Uhr

Im Sommer 2021 wurde ich zum ersten Mal auf Michael Blume aufmerksam. Mehrere Leute hatten mich auf den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten hingewiesen. Was sie von ihm berichteten, klang widersprüchlich. Also recherchierte ich selbst. Manche Äußerungen von ihm kamen auch mir merkwürdig vor.

Da ich mich zu dieser Zeit ohnehin in Deutschland aufhielt, machte ich einen Schritt auf ihn zu. Ich wollte ihn persönlich kennenlernen, statt dubiosen Halbwahrheiten zu vertrauen, die aus wer weiß welchen Quellen stammen könnten.

GEMEINSAMKEITEN Wir trafen uns in Stuttgart in der Staatskanzlei. Es war eine Begegnung auf Augenhöhe. Wir verstanden uns sehr gut. Und stellten fest, dass wir vieles gemeinsam haben.

Nicht nur, dass wir etwa gleich alt sind. Beide dienten wir bei den Sanitätern in der Bundeswehr, haben Erfahrungen mit verschiedenen Kulturen in Deutschland, wissen um Judenhass hierzulande ebenso wie um Rassismus generell. Auch sind wir uns des Islamismus-Problems bewusst.

Indem das Wiesenthal Center Michael Blume auf die Antisemitenliste setzte, hat die Einrichtung andere Einträge relativiert, die berechtigt sind.

Hinzu kommt, dass Michael Blume mit einer Türkin verheiratet ist und ich mich als Jugendlicher in Berlin-Wedding einmal Hals über Kopf in eine Türkin verliebte. Aber das nur am Rande. Viel wichtiger ist: Die unsinnigen Vorwürfe gegen ihn werfen hingegen einige Fragen auf.

ENGAGEMENT Als Antisemitismusbeauftragter setzt sich Blume in erster Linie für jüdisches Leben ein. Dass er sich aber auch zu Wort meldet, wenn es um die Rechte anderer Minderheiten geht, etwa der Jesiden, spricht erst recht für ihn. Es zeigt: Es geht ihm nahe.

Dass er sein Engagement nicht aufs Jüdische begrenzt, sollte daher kein Problem sein. Im Gegenteil! Wer, sensibilisiert durch verschiedene Facetten von Antisemitismus, auch anderes Unrecht anspricht, zeigt damit nur: Das Vertrauen in ihn ist glasklar gerechtfertigt.

Dass das Wiesenthal Center den gravierenden Fehler begangen hat, ausgerechnet Michael Blume auf die Liste der ärgsten Antisemiten zu setzen, lässt zwei Schlüsse zu: Zum einen kann man dort offenbar nicht unterscheiden zwischen radikalen Judenhassern wie dem Mullah-Regime in Teheran, strukturellem Antisemitismus wie bei der Deutschen Welle und jemandem wie ihm, der nun wirklich kein Antisemit ist.

Zum anderen wackeln nun auch andere »Listenplätze« wie der von Jakob Augstein und der Deutschen Welle – die dort sehr wohl hingehören. Ernst nehmen kann man die Liste derzeit leider nicht mehr. Das Wiesenthal Center wird erst wieder relevant, wenn es seinen Fehler einsieht, Michael Blume von der Liste streicht und sich bei ihm entschuldigt – persönlich und öffentlich.

Der Autor ist deutsch-persisch-israelischer Schriftsteller.

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung von Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024

Washington D.C.

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen an Israel

Eine Gruppe von Demokraten scheitert mit ihrem Vorstoß

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Russlands Krieg in der Ukraine

1000 Tage Krieg

Die Ukraine hat gerade ein bitteres Jubiläum begangen - 1000 Tage Krieg. Wie leben die Menschen dort, begleitet von so viel Tod und Zerstörung? Streiflichter von einem einzelnen Tag geben einen kleinen Einblick

von Illia Novikov  20.11.2024

Berlin

Prozess gegen Teilnehmer israelfeindlicher Uni-Besetzung eingestellt

Die Aktion an der Humboldt Universität bleibt auch wegen der dort verbreiteten Pro-Terror-Propaganda in Erinnerung

 20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

USA

Trump nominiert Juden für das Handelsministerium

Howard Lutnick ist Chef des New Yorker Finanzunternehmens Cantor Fitzgerald

von Andrej Sokolow  20.11.2024

Wien

IAEA: Iran will Uran-Produktion beschränken

Dabei hat das Mullah-Regime seinen Uran-Vorrat zuvor massiv aufgestockt

 20.11.2024