Das Gesicht von Donald Trump ist das Gesicht des amerikanischen Faschismus. Das Wort wird hier völlig unpolemisch, beinahe klinisch verwendet. Trump steht für die Verachtung der liberalen Demokratie und ihrer Werte: Der Ex-Präsident sagt mittlerweile offen, dass er Diktator sein möchte, dass der Präsident über dem Gesetz steht, dass er sich, an die Macht zurückgekehrt, an seinen Feinden rächen wird. Er hat Journalisten in einer Wendung, die an Stalin erinnert, als Volksfeinde bezeichnet.
Er bewundert Gewaltherrscher wie Wladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong-un. Donald Trump und seine Anhänger träumen von der Rückkehr in eine idealisierte Vergangenheit, genauer: eine Vergangenheit, in der die alte rassische Hierarchie (weiße christliche Männer oben, der Rest der Bevölkerung unten) gegolten hat. Genau dafür steht der Slogan: »Make America Great Again«.
Trump steht auch für eine schier grenzenlose Frauenverachtung. Viele der Männer, die in herausgehobener Stellung für ihn arbeiteten, haben ihre Ehefrauen oder Freundinnen geschlagen; Trump selbst ist, wie ein New Yorker Richter feststellte, ein Vergewaltiger. Ein zentrales Wesensmerkmal des Faschismus: Seine Anhänger möchten die Frauen zurück unter die Knute des Patriarchats zwingen.
Donald Trumps Reden und die Grabbelkiste antisemitischer Ressentiments
Bei seinen Reden hat sich Donald Trump wiederholt aus der Grabbelkiste der antisemitischen Ressentiments bedient. Er hat gesagt, Juden seien geldgierig, grausam und handelten nur für die Interessen ihres eigenen Clans; er hat angedeutet, dass Juden über gewaltige Macht verfügen.
Viele seiner Anhänger glauben an die QAnon-Religion, die eine gigantische antisemitische Verschwörungserzählung ist: Angehörige einer weltweiten Elite (die Clintons, die Rothschilds und natürlich George Soros) entführen Kinder, um sie in geheimen Kellern zu foltern und ihnen Blut abzuzapfen, weil sie sich, so die wahnsinnige Behauptung, am darin enthaltenen Adrenochrom berauschen. Marjorie Taylor Greene, eine Trump ganz besonders hündisch ergebene Kongressabgeordnete, faselte von jüdischen Weltraumlasern, mit denen angeblich Waldbrände ausgelöst werden.
Gleichzeitig hat Donald Trump einen jüdischen Schwiegersohn. Seine Tochter Ivanka ist zum Judentum übergetreten; Trump hat also jüdische Enkelkinder. Der ausländische Staatschef, mit dem Trump in seiner Amtszeit am besten harmonierte, war (neben Putin) Benjamin Netanjahu. Er hat die Israelis nie mit der Forderung nach einer Zweistaatenlösung genervt. Als Trump Präsident war, wurde die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt; außerdem hat er die Annexion der Golanhöhen anerkannt.
Trump glaubt die üblichen antisemitischen Märchen, und zwar alle und restlos.
Trump hat immer wieder dem Iran gedroht, er werde Krieg führen, wenn das Mullah-Regime eine Atombombe entwickle. Trump hat den Befehl zu dem Luftschlag gegeben, mit dem Qassem Soleimani getötet wurde, der besonders mörderische Kopf einer iranischen Elitetruppe.
Mit anderen Worten, Trump ist – zumindest aus jüdischer Sicht – ziemlich verwirrend. Womit haben wir es hier zu tun: mit einem judenfreundlichen Faschisten?
So etwas kam schon vor. Denken wir an den griechischen Diktator Ioannis Metaxas, der so philosemitisch war, dass die Juden von Athen ihm 1941 nach seinem Tod ein Denkmal errichten wollten. Oder ist Trump ein banaler Judenhasser? Aber warum dann die Privilegien des jüdischen Schwiegersohnes, der unter Präsident Trump bekanntlich so etwas wie der inoffizielle amerikanische Außenminister war; warum die zur Schau getragene Freundschaft mit Israel?
Die Antwort ist nur scheinbar paradox: Wir haben es bei Donald Trump mit einem philosemitischen Antisemiten zu tun. Was heißt das? Trump glaubt die üblichen antisemitischen Märchen, und zwar alle und restlos. Er glaubt also, dass Juden sich verschworen haben, um die Weltherrschaft zu erlangen, dass sie die Presse kontrollieren, dass sie sich brutalster Geschäftspraktiken bedienen, dass sie keine Skrupel kennen, dass sie ohne Rücksicht auf Moral und Sitte handeln; und Trump bewundert sie dafür. Er hält die Juden für abgrundtief böse, und das macht sie in seinen Augen beinahe zu Übermenschen.
Trumps Israelfreundschaft basiert zum Teil auf einem Missverständnis
Trumps Israelfreundschaft basiert zum Teil auf einem Missverständnis: Er glaubt tatsächlich, dass Israel ein rassistischer Apartheidstaat ist, nur findet Trump das gut. Zum Teil befriedigt Trump damit ein Bedürfnis seiner evangelikalen Basis: Die weißen Christen im Mittleren Westen glauben, dass Jesus Christus erst dann aus dem Himmel zurückkehren wird, wenn alle Juden nach Zion zurückgekehrt sind.
Es gibt in den Vereinigten Staaten nicht nur christliche, es gibt auch jüdische Trump-Fans. Manche Juden unterstützen ihn, weil er ihrer Meinung nach gut für Israel ist, und sehen es nicht als Problem an, dass Trump nur mit einem Teil der israelischen Öffentlichkeit solidarisch ist: mit den Rechten. Manche sehen Trump auch in einem milden Licht, weil sie annehmen, dass er sie vor dem linken Antisemitismus schützen werde.
Hier soll nicht darüber gerichtet werden, wie moralisch eine solche Haltung ist, sondern auf einen fundamentalen Denkfehler hingewiesen werden: Trumps bösartiger Philosemitismus basiert darauf, dass Trump sich von den Juden einen Vorteil erhofft. Sobald er sich von ihnen – auch von einem prominenten Juden wie Benjamin Netanjahu – verraten fühlt, wird seine Judenfreundlichkeit sofort in ihr aggressives Gegenteil umschlagen. »Cave canem« stand an römischen Villen, Vorsicht vor dem Hund. Das kann auch heißen: Vorsicht vor dem Schweinehund. Donald Trump ist bissig, und er lässt sich an keine Kette legen – an eine jüdische schon gar nicht.
Der Autor ist Journalist und Schriftsteller. Er lebt in New York.