Europäische Union

EU will stärker gegen Antisemitismus vorgehen

Foto: Getty Images/iStockphoto

Zwei Jahre nach der Annahme einer gemeinsamen Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union erneut ihren Willen betont, mehr gegen den ansteigenden Antisemitismus zu tun.

Am Mittwoch bekräftigten die 27 im Ministerrat vertretenen Regierungen unter deutschem Ratsvorsitz ihre Erklärung vom Dezember 2018 und vereinbarten weitere Schritte im Kampf gegen den Judenhass. Dieser sei ein Querschnittsthema, für das auf allen Regierungsebenen mehr Bewusstsein geschaffen werden müsse, so der Text der Entschließung.

BESORGNIS Studien der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA) und anderer Einrichtungen hätten gezeigt, dass Antisemitismus sich immer öfter manifestiere. »Die Zunahme der Bedrohungen für jüdische Personen in Europa, einschließlich des Wiederauflebens von Verschwörungsmythen, öffentliche Bekundungen von Antisemitismus, insbesondere im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, und eine Zunahme antisemitischer Vorfälle und Hassverbrechen geben Grund zur Besorgnis«, so die Erklärung.

Die Gewährleistung der Sicherheit der jüdischen Gemeinden und Institutionen müsse daher in allen Mitgliedstaaten höchste Priorität haben. Dazu gehöre ein kontinuierlicher Dialog mit der jüdischen Gemeinde vor Ort mit dem Ziel, für ein angemessenes Sicherheitsniveau, die Ausbildung von entsprechendem Personal und Strafverfolgungsbeamten zu sorgen.

JUSTIZ Illegale Hassrede und terroristische Inhalte im Netz müssten von den Internet-Anbietern in Übereinstimmung mit dem rechtlichen und nicht-rechtlichen Rahmenwerk sofort entfernt werden, fordert die Erklärung. Außerdem sei eine starke Antwort der Justiz auf antisemitische Handlungen notwendig. Der Rahmenbeschluss der EU aus dem Jahr 2008 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Strafrecht müsse angewendet werden, auch bei Delikten im Internet.

Zudem sei die IHRA-Arbeitsdefinition zum Antisemitismus, die bislang in 18 EU-Mitgliedsstaaten Anwendung findet, ein wichtiges Mittel im Kampf gegen judenfeindliche Tendenzen. Der Rat forderte die anderen neun EU-Länder auf, die Definition ebenfalls umzusetzen. Darüber hinaus forderte das Gremium eine »systematische Meldung und Erfassung antisemitischer Vorfälle, auch solcher, die nicht prima facie eine Straftat darstellen«, um schneller auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

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Bei der Vermittlung der Lehren aus der Schoa an künftige Generationen gelte es, neue Wege zu finden, so die Ratserklärung. »Die Aufklärung über den Holocaust, Antisemitismus und jüdisches Leben bleibt eines der
wichtigsten Instrumente zur Verhinderung antisemitischer Vorurteile«, so die Ratserklärung.

Am Mittwoch wurde eine Umfrage veröffentlicht, nach der das Wissen über die Schoa in Deutschland sehr lückenhaft ist. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben zudem an, dass der Antisemitismus in Deutschland kein großes Problem darstelle.

REAKTIONEN Der für die Bekämpfung des Antisemitismus zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, begrüßte das Votum des Rates. »Europa steht fest gegen alle Formen des Antisemitismus. Jüdisches Leben ist und wird immer Teil der europäischen Gesellschaften und unserer Lebensweise sein. Die heute eingegangene Verpflichtung der Mitgliedstaaten bekräftigt diese Tatsache noch einmal.«

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Schinas forderte die EU-Mitgliedstaaten auf, »dieser Verpflichtung konkrete Maßnahmen folgen zu lassen. Die Kommission ihreseits werde im kommenden Jahr eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus vorlegen«, so Schinas.

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein sagte: »Antisemitismus ist ein EU-weites Phänomen. Um ihm wirksam zu begegnen, brauchen wir ein geeignetes europäisches Instrumentarium und eine ausreichende Basis. Das ist genau der Ansatz der Erklärung, den ich sehr begrüße.«

Auch jüdische Organisationen lobten die Erklärung. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, sagte in einer Pressemitteilung: »Europa hat ein ernstes und erschreckendes Antisemitismus-Problem, und es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union, ihre Mitgliedstaaten und lokalen Behörden die Mittel zu seiner Bekämpfung bereitstellen.«

QUERSCHNITTSTHEMA Die Verabschiedung des Textes durch den Rat zeige, dass die EU insgesamt die Bedrohung des Antisemitismus für die Gesellschaft erkannt habe. »Diese Erklärung ist ein bedeutender Schritt vorwärts, um Europa zu einem besseren Ort für Juden zu machen. Es liegt nun in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, die Politik und das Verständnis der Europäischen Union in jedem ihrer Länder anzuwenden«, so Lauder weiter.

Der Europäische Jüdische Kongress begrüßte den Beschluss ebenfalls. EJC-Präsident Mosche Kantor erklärte, die EU verpflichte sich damit »zu einem ganzheitlichen Programm, um den Antisemitismus auf dem Kontinent auszurotten«. In der kommenden Woche wollen auch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Erklärung zum Antisemitismus verabschieden.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der dortigen Arbeitsgruppe gegen Antisemitismus, Nicola Beer, sagte dieser Zeitung, der 2. Dezember sei für sie ein besonderer Tag: »Der Rat verabschiedet unter der deutschen Ratspräsidentschaft einen Beschluss, der Antisemitismus zu einem Querschnittsthema der EU macht. Alle Gesetzesvorlagen müssen von nun an im Licht des Kampfes gegen den Antisemitismus betrachtet werden. Das macht Mut und gibt Hoffnung auf ein friedliches Miteinander und auf das Ende der Diskriminierung von Juden in Europa und der Welt«, so die FDP-Politikerin.

Kritik an der Entschließung äußerte dagegen der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. »Während der Kampf gegen den Extremismus und die rechtsextremen Gruppen intensiviert werden muss, sind wir enttäuscht, dass in der Erklärung die Sitten und Gebräuche von Religionsgemeinschaften, die friedlich und getreu im Einklang mit den Werten der EU stehen, nicht erwähnt und offenbar als nicht schützenswert erachtet werden. Ohne eine Garantie der Glaubens- und Religionsfreiheit für die jüdischen Gemeinden in Europa gibt es keine Garantie für eine jüdische Zukunft«, betonte er.

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