Die Europäische Union (EU) hat eine Regelung beschlossen, mit der sie schärfer als bislang gegen den Bau israelischer Siedlungen im Westjordanland vorgehen möchte. Die EU-Kommission verlangt, dass künftig keine EU-Gelder mehr vergeben werden dürfen, wenn ein Teil der Empfänger seinen Sitz außerhalb Israels Grenzen von 1967 hat, also etwa im Westjordanland, auf den Golanhöhen oder in Ost-Jerusalem.
Das Dekret betrifft den Wissenschafts-, Jugend-, Kultur- und Sportaustausch zwischen den Ländern der EU und Israel. Eine Zusammenarbeit der Union mit israelischen Behörden, die ihren Sitz in Ost-Jerusalem haben, etwa dem Justizministerium, ist künftig nur dann möglich, wenn sich dessen Aktivitäten auf das israelische Territorium vor dem Sechstagekrieg 1967 beziehen.
kein boykott Israelischen Diplomaten wurde in Brüssel, als sie sehr früh über diesen Beschluss der EU-Kommission informiert wurden, gesagt, dass dies gerade einen Boykott gegen Israel und israelische Waren verhindern solle. So berichtet es jedenfalls die Tageszeitung Haaretz mit Verweis auf diplomatische Quellen. Die EU, so habe es dort geheißen, »will sicher gehen«, dass die Partizipation Israels etwa an wissenschaftlichen Austauschprogrammen künftig nicht infrage gestellt werde und dass Israel »alle Möglichkeiten des neuen EU-Finanzrahmens« nutzen könne.
Die Geschäftsträgerin der EU-Vertretung in Israel, Sandra De Waele, erklärte im israelischen Rundfunk, die EU erkenne »seit jeher« die israelische Präsenz im Westjordanland und auf den Golanhöhen nicht an und halte die Siedlungspolitik für völkerrechtlich illegal.
Aus den Reihen der EU-Repräsentanten ist auch zu erfahren, dass die EU-Kommission die Regelung schon am 30. Juni verabschiedet habe, sie aber erst am 30. Juli offiziell veröffentlichen wolle. Nach EU-Angaben soll die Regelung von 2014 bis 2020 gelten; israelische Quellen berichten, dass sie schon an diesem Freitag, 19. Juli, in Kraft träte.
»Wir werden keine externen Diktate bezüglich unserer Grenzen akzeptieren«, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einer Dringlichkeitssitzung. Der Times of Israel sagte er, er werde es nicht akzeptieren, dass Tausende Israelis, die in diesen Gebieten leben, ausgeschlossen würden. Der israelische Minister für Bau- und Wohnungswesen, Uri Ariel, sprach von einer »rassistischen Entscheidung, die das jüdische Volk diskriminiert und an den Boykott gegen Juden vor 66 Jahren erinnert«. Der Minister für regionale Entwicklung, Silvan Shalom, meinte, die Regelung zeige, wie »abgerückt« Europa von der Wirklichkeit im Nahen Osten sei.
wohnsitz Ein von Haaretz zitierter hoher Beamter des Außenministeriums sagte: »Wir sind nicht bereit, diese Klausel in unsere Verträge mit der Europäischen Union einzufügen und zu unterzeichnen.« Das Ergebnis wäre dann ein Stopp jeder Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport.
Die praktischen Auswirkungen des Dekrets sind noch unklar, die möglichen Folgen aber enorm. So hat die Hebräische Universität in Jerusalem Angst, aus Forschungskooperationen ausgeschlossen zu werden, weil sie Dozenten mit Wohnsitz in Ost-Jerusalem oder in Siedlungen beschäftigt. Ähnliche Bedenken werden von Sportorganisationen geäußert, wenn Athleten ihren Wohnsitz außerhalb der Grenzen von 1967 haben. Erstmals thematisiert hatte dies die EU bei dem Projekt EUROMED, einem Jugendaustauschprogramm. Laut Haaretz wurde die israelische Seite bei Verhandlungen in Brüssel schon jetzt aufgefordert, eine Territorialklausel zu akzeptieren.
tourismus Israelische Medien befürchten, dass sich die EU-Richtlinie auch auf die Tourismusbranche auswirkt – etwa wenn es um christliche Pilgertouren israelischer Unternehmen nach Bethlehem und Jericho geht, die eine wichtige Einnahmequelle der palästinensischen Autonomiebehörde sind.
Unklar ist auch, wie Deutschland künftig seine Entwicklungshilfe an Palästinenser in dem von Israel verwalteten C-Gebiet im Westjordanland handhaben will.
Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel hatte kürzlich in Jerusalem erklärt, dass Israel die anerkannte Verwaltungsmacht in diesem Gebiet sei und dass deshalb Entwicklungsprojekte wie etwa Solaranlagen oder Klärwerke nur mit israelischer Genehmigung errichtet werden könnten.