Herr Salzborn, viele in Deutschland lebende Palästinenser betrachten die Staatsgründung Israels als »Nakba«, als Katastrophe. Ist ihr Protest dagegen legitim?
Es ist ein sehr zentrales Gut, dass auch Meinungen, die nicht die der Mehrheit sind, öffentlich geäußert werden können. Dieses Grundrecht stößt aber dort an Grenzen, wo Straftaten zu erwarten sind und andere Grundrechte verletzt werden. In der Vergangenheit war das bei Kundgebungen zum sogenannten Nakba-Tag, die meistens mit Antisemitismus verbunden waren, der Fall. Antisemitische Kundgebungen halte ich für nicht legitim.
Welche Rolle spielt die sogenannte Nakba für Israelhass und Antisemitismus auf diesen Demonstrationen?
Ich glaube, dass das Narrativ der Nakba historische Kontexte der Staatsgründung Israels ausblendet, etwa die Aggressionen der arabischen Nachbarn. Daraus entsteht eine Einseitigkeit, die sich kategorisch gegen Israel wendet und nicht sehr geneigt ist, dialogorientierte oder kooperative Lösungen in den Blick zu nehmen.
Allein in Berlin sind im Mai mehrere einschlägige Proteste angemeldet. Was erwarten Sie für die nächsten Tage und Wochen?
Man muss erst einmal abwarten, wie die Berliner Versammlungsbehörde die Kundgebungen bewertet. Dabei werden auch die Erfahrungen mit ähnlichen Demonstrationen in der jüngeren Vergangenheit berücksichtigt. Unter Umständen könnte eine Verbotsverfügung erwirkt werden oder auch strenge Auflagen, sodass bei Zuwiderhandlung gegebenenfalls eine Auflösung der Kundgebung erfolgt.
Halten Sie Verbote für zweckmäßig?
Verbote sind ein starkes Instrument, das in der Vergangenheit aber auch nur gezogen wurde, wenn alles andere nichts genutzt hat. Bei dieser Art Kundgebungen beobachten wir eine große Eskalation des Antisemitismus sowie von Gewaltverherrlichung und Gewaltaufrufen bis hin zu tatsächlich physischer Gewalt gegen Polizeibeamte und Journalisten. Die Versammlungsverbote, die in letzter Zeit in Berlin erlassen wurden, sind alle durch unabhängige Gerichte bestätigt worden.
Einige Aktivisten behaupten, dass palästinensische Stimmen in Deutschland unterdrückt werden.
Dem stimme ich nicht zu. Es geht nicht darum, palästinensische Stimmen zu unterdrücken, sondern um Antisemitismus. Wenn solche Kundgebungen nicht antiisraelisch und antisemitisch wären, sondern wirklich pro-palästinensisch, dann wäre die Sachlage eine andere. Aber das würde zum Beispiel auch bedeuten, gegen den Terror der Hamas oder deren totalitäre Politik zu demonstrieren. Das würde den Palästinensern sehr viel mehr nutzen, als sich falschen Schuldzuweisungen anzuschließen.
Mit dem Antisemitismusbeauftragten des Landes Berlin sprach Joshua Schultheis.