Der Zentralrat der Juden in Deutschland dringt auf mehr Widerstand der Gesellschaft gegen Antisemitismus.
»Es ist nicht Aufgabe von uns Juden allein, Vorurteile gegenüber uns zu entkräften«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Montag in Chemnitz bei einem Festakt der Jüdischen Gemeinde anlässlich der Jahrestage ihrer Gründung vor 135 Jahren und ihrer Wiedergründung vor 75 Jahren. »Das ist vor allem Aufgabe der Politik, der Zivilgesellschaft, der Medien«, erklärte er.
internet »Antisemitismus ist keine Meinung, Antisemitismus ist ein Verbrechen«, betonte Schuster. Er begrüßte, »dass in letzter Zeit die Betreiber der sozialen Netzwerke aufgewacht zu sein scheinen, was den Hass im Internet angeht«.
»Antisemitismus ist keine Meinung, Antisemitismus ist ein Verbrechen«, betonte Josef Schuster.
Notwendig sei dort »aber immer noch mehr Engagement gegen den Antisemitismus, und auch ein klares, unerbittliches Auftreten von Polizei und Staatsanwaltschaften bei der Anwendung bestehender Gesetze«, forderte der Zentralratspräsident. »Es reicht nicht, nur Gesetze zu beschließen, man muss sie auch anwenden und das nötige Personal bei Polizei und Justiz einstellen.«
Mit Blick auf die Corona-Proteste warnte Schuster vor der Verbreitung von Verschwörungsmythen. Die Einschränkung von Freiheitsrechten in der Pandemie sei eine Bewährungsprobe und tue weh. »Und doch sollten wir uns alle hüten, diese als eine Art ›Staatsstreich von oben‹ anzusehen und wilde Verschwörungstheorien in Umlauf zu setzen«, betonte er.
geschichte »Erstens gibt es von der Sorte schon genug«, erklärte Schuster. Zweitens werde »etwas Falsches nicht dadurch richtig, dass man es hunderttausendfach wiederholt«. »Gerade die deutsche Geschichte sollte uns da eine Lehre sein«, betonte er in seiner Rede bei der Jubiläumsfeier.
Mit Blick auf den wachsenden Antisemitismus in Deutschland, den Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019 und den rechtsextremen Teil der AfD erklärte Schuster, er sehe »die dunklen Wolken, die sich da am Horizont auftun«. Er sei jedoch auch Optimist und habe – etwa beim Zusammenbruch des Ostblocks 1989 – miterlebt, »wie schnell, ja, urplötzlich sich Dinge auch zum Besseren wandeln können, wenn man nur gemeinsam und mit Nachdruck darauf drängt«.
Das Judentum gehöre seit 1700 Jahren zu Deutschland, bekräftigte der Präsident des Zentralrats.
Das Judentum gehöre seit 1700 Jahren zu Deutschland, bekräftigte der Präsident des Zentralrats. Für sein Wiederaufblühen nach 1945 seien vor allem die Gemeinden vor Ort verantwortlich. »Juden haben dieses Land schon immer mitgeprägt, wir waren und sind ein Teil davon, und wir lassen uns aus unserer Heimat nicht verjagen«, betonte Schuster.
zuwanderung Der Zentralratspräsident würdigte auch den Beitrag des langjährigen Gemeindevorsitzenden Siegmund Rotstein sel. A. (1925–2020), der im August starb, zur Integration jüdischer Zuwanderer aus Osteuropa und zum Bau der 2002 eröffneten neuen Synagoge. Vor dem Festakt hatten sich Schuster und die Gemeindevorsitzende Ruth Röcher ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz eingetragen.
Die Jüdische Gemeinde von Chemnitz wurde 1885 offiziell als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet. 1923 hatte sie 3500 Mitglieder. Nach dem Völkermord der Nationalsozialisten an den Juden gründeten 57 überlebende Mitglieder die Gemeinde erneut. Heute zählt die Gemeinde rund 600 Mitglieder.
ENTWICKLUNG Sachsens Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) betonte, jüdische Persönlichkeiten hätten in Chemnitz in bewegenden 135 Jahren einen »großen Beitrag« zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung geleistet. Angesichts der Umstände sei die Wiedergründung der Gemeinde nach der Nazi-Herrschaft »noch bedeutsamer« als die ursprüngliche Gründung 1885.
Aus ihr spreche »der ungeheure Lebensmut eines jahrtausendealten Volkes. Schenk betonte, es sei »Teil der sächsischen Staatsraison«, alles zu tun, »dass Juden hier sicher und unbehelligt leben können«. kna/epd/ja
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