Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich deutlich gegen Angriffe auf jüdisches Leben in Deutschland positioniert. »Es ist eine Schande und beschämt mich zutiefst, wie sich Rassismus und Antisemitismus in unserem Land in diesen Zeiten äußern«, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag in Berlin während einer Feierstunde zur Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland vor 70 Jahren.
Rassismus und Antisemitismus seien nie verschwunden gewesen. »Doch seit geraumer Zeit treten sie sichtbarer und enthemmter auf«, sagte Merkel. Beleidigungen, Drohungen oder Verschwörungstheorien richteten sich offen gegen Juden. »In den sozialen Medien triefen viele Äußerungen geradezu vor Hass und Hetze. Dazu dürfen wir niemals schweigen.«
Schnell könnten Worte zu Taten werden, wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr auf »besonders schreckliche Weise« gezeigt habe. Dort hatten 52 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur gefeiert. Der Attentäter scheiterte jedoch an der Tür, erschoss daraufhin eine Passantin, die zufällig an der Synagoge vorbei kam, und später einen jungen Mann in einem Dönerimbiss.
»Der Antisemitismus ist ein Angriff auf Menschen«, sagte Merkel. Der Angriff richte sich gegen die Würde des einzelnen Menschen. Dies müsse entschieden bekämpft werden, sagte die Kanzlerin.
Erziehung und Bildung seien wie die Bereitschaft zum Dialog die wichtigste Vorbeugung gegen Vorurteile, Rassismus und Antisemitismus. »Doch wo Bildung und Aufklärung nicht ausreichen, da ist der Rechtsstaat mit der ganzen Konsequenz unseres Strafrechts gefordert.« Auch dies müsse ganz klar sein, betonte Merkel.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland war am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main gegründet worden. Als Dachorganisation vertritt er die politischen und gesellschaftlichen Interessen von 23 Landesverbänden und 105 jüdischen Gemeinden mit rund 100.000 Mitgliedern. Ab 1951 hatte der Zentralrat seinen Sitz in Düsseldorf, ab 1985 in Bonn und seit 1999 in Berlin, wo die Hauptverwaltung im Leo-Baeck-Haus untergebracht ist.
In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland auch zunehmend antisemitische Vorfälle registriert, zuletzt etwa bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen. Nach Angaben der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) gehörten etwa die antisemitische Bezugnahme auf den Nationalsozialismus oder die Verwendung von antisemitischen Verschwörungsmythen dazu.