Meinung

Es gibt nur eine Judaistik

Johannes Heil Foto: Marco Limberg

Die Wissenschaft des Judentums war keineswegs eine Erfolgsgeschichte, die erst in der Zeit des Nationalsozialismus bitter getrübt worden wäre. Im Grunde war sie von Anfang an ein Unternehmen aus der Defensive heraus. Das wirkt bis heute nach.

Die Entwicklung seit der Schoa verlief in Deutschland mit auffallenden Ähnlichkeiten zur regional diversifizierten Situation vor 1933: Während seit dem Ende der 60er-Jahre in der Bundesrepublik das Jüdische in Gestalt der Judaistik an vielen Universitäten Einzug halten konnte, entstand daneben kaum planmäßig eine ganze Reihe von Einrichtungen, die einmal mehr für die Vielfalt stehen: Das war beispielsweise schon im Jahr 1979 die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg in Trägerschaft des Zentralrats der Juden.

Gesellschaft Die Vielfalt der Standorte und die verschiedenen Profile zwischen Judaistik und Jüdischen Studien haben die Disziplin zu dem gemacht, was sie heute ist: eine Leitwissenschaft, die nur verlieren könnte, wollte man sie heute nachträglich theologisieren und damit einengen. Sie würde ihrer Aufgabe, gerade in einer sich pluralisierenden Gesellschaft, nicht mehr gerecht. Vor diesem Hintergrund muss man sagen, dass das gerade in Berlin eröffnete Zentrum Jüdische Studien zwar etwas Sinnvolles anstrebt, mit den dazu eingeschlagenen Wegen und Formen aber neue Fragen aufwirft.

Der von dem Zentrum erhobene Anspruch etwa, »religiöses Personal für jüdische Gemeinden aller Denominationen in Deutschland an den Universitäten auszubilden«, wird ja in einem Umfeld formuliert, das bereits über entsprechende Einrichtungen verfügt. Zudem wäre das neue Zentrum gut beraten, sich keinerlei denominationale Fesseln aufzuerlegen. Um ein Beispiel zu geben: Wenn man sich die anvisierte »Internationale Gastprofessur für Jüdisches Recht der nichtorthodoxen Strömungen« ansieht, drängt sich die Frage auf, warum es eine Scheu vor dem Ganzen der nachbiblischen jüdischen Traditionsliteratur gibt.

Dass Deutschland heute, neben den USA und Israel, als der stärkste Standort der Jüdischen Studien weltweit gelten und wirken kann, ist ein wissenschaftsstrategisches Potenzial, das historisch gewachsen ist – ein paradoxes Ergebnis der Zerstörung jüdischen Lebens in den Jahren 1933 bis 1945. Dieses Potenzial sollen wir im Verbund nutzen und es nicht verspielen.

Der Autor ist Erster Prorektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.

Meinung

Die Schweizer Sozialdemokraten und ihr radikaler Mittelweg

Die SP versteckt sich hinter widersprüchlichen und israelkritischen Resolutionen

von Nicole Dreyfus  29.10.2024

Libanon

Acht UN-Soldaten bei Raketenbeschuss leicht verletzt

Die UN schreiben den Angriff der Hisbollah zu

 29.10.2024

Berlin

Studentin für israelfeindliche Flugblätter verurteilt

Die Studentin wurde zudem des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte für schuldig gesprochen

 29.10.2024

Meinung

Djamshid Sharmahd hätte gerettet werden können

Warum die Bundesregierung eine Mitverantwortung für den Tod des Oppositionellen trägt

von Saba Farzan  29.10.2024

Geiseln

Netanjahu dementiert Vorschlag für Geisel-Abkommen

Ein ägyptischer Vorschlag für einen Geiseldeal existiert wohl doch nicht

 29.10.2024

Berlin

Klein: Antisemitismus an Schulen und im Internet bekämpfen

Klein und Friedman kritisierten mangelnde Anteilnahme in Deutschland mit dem Leid der Opfer des Terroranschlags

 29.10.2024

Antisemitismus

Publizist Friedman: Worte Erdogans sorgen für Judenhass-Anstieg

Für Michel Friedman ist der türkische Präsident mitverantwortlich für wachsenden Antisemitismus

 29.10.2024

Staatsanwaltschaft Stuttgart

Anklage wegen Anschlagsplänen auf Synagoge in Heidelberg

Zwei junge Männer tauschen sich in Chats über mögliche Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Heidelberg und Frankfurt am Main aus

 29.10.2024

Hannover

Erneut Vandalismus an NS-Gedenkstätte Ahlem

Unbekannte haben am Sonntagabend mehrere Tafeln an der sogenannten »Wand der Namen« beschädigt oder ganz herausgerissen

 29.10.2024