Meinung

Es geht um die Glaubwürdigkeit von Fridays for Future

Teile der Klimabewegung fallen immer wieder durch Israelhass auf. An der Haltung zum jüdischen Staat zeigt sich, wie ernst man die Aktivisten nehmen muss

von Joshua Schultheis  05.01.2023 07:53 Uhr

Joshua Schultheis Foto: Charlotte Bolwin

Teile der Klimabewegung fallen immer wieder durch Israelhass auf. An der Haltung zum jüdischen Staat zeigt sich, wie ernst man die Aktivisten nehmen muss

von Joshua Schultheis  05.01.2023 07:53 Uhr

Die Gretchenfrage für viele progressive Bewegungen lautet: Wie hältst du’s mit Israel? Dem winzigen Staat wird häufig außergewöhnlich große Bedeutung zugeschrieben, wenn es um Krieg, Rassismus oder Imperialismus geht. So obsessiv wirkt die Beschäftigung mit dem Land am Mittelmeer manchmal, dass man meinen könnte, der jüdische Staat sei an allem schuld. Und fragt man bestimmte Aktivisten der Fridays-for-Future-Bewegung (FFF), dann gilt das auch für den Klimawandel.

Visier Der internationale Twitter-Account von FFF verbreitet regelmäßig Sätze wie »Palästina ist ein Thema der Klimagerechtigkeit«, ein Slogan der antisemitischen BDS-Bewegung, oder den Hashtag »Zionismus ist Rassismus«. Das Streben nach nationaler Selbstbestimmung des jüdischen Volkes wird so delegitimiert und die zuungunsten Israels einseitige Lösung des Nahostkonflikts als Voraussetzung für die Bewältigung der Klimakrise insinuiert. Kein anderer Staat – auch nicht der weltweit größte CO2-Emmitent China – wird auf diese Weise ins Visier genommen.

Es gibt unzählige Dinge, die im Kampf gegen den Klimawandel wichtiger als der Nahostkonflikt sind.

Anders als einige lokale Ableger, wie etwa in Bremen, hat sich FFF Deutschland dieser Israel-Fixierung immer entzogen, und distanzierte sich zum Beispiel von einem Tweet, in dem die internationale Gruppe Israel »Siedler-Kolonialismus« vorwarf und sich positiv auf palästinensische »Märtyrer« bezog. Über das allgemeine Bekenntnis, man sei »gegen jeden Antisemitismus«, gingen solche Bekundungen jedoch selten hinaus. In einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen legten die beiden FFF-Aktivistinnen Luisa Neubauer und Anael Back jetzt aber nach: Man habe, wie auch vom Zentralrat der Juden gefordert, die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) übernommen und entwickele Konzepte, um Judenhass in den eigenen Reihen zu begegnen. Gut so!

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In dem Gespräch wurde jedoch auch deutlich, dass Neubauer, die bekannteste deutsche Vertreterin von FFF, eine entscheidende Einsicht vermissen lässt: Das Problem mit israelbezogenem Antisemitismus fängt schon bei der überzogenen Unverhältnismäßigkeit der Prioritätensetzung an. Auf die Frage, wie wichtig der Nahostkonflikt für den Einsatz gegen die globale Klimakrise sei, antwortet Neubauer vage, eine »Verknüpfung« zwischen beiden Themen zu sehen, aber »keine Relevanz-Hierarchien aufmachen« zu wollen.

klarheit Selbstverständlich trägt auch Israel Verantwortung für die Erderwärmung. Dennoch gilt: Eine Klimabewegung, die ernst genommen werden will, sollte nicht ausgerechnet die Kritik am einzigen jüdischen Staat ganz oben auf ihre Agenda setzen. Es gibt unzählige Dinge, die im Kampf gegen den Klimawandel wichtiger sind. Diese Klarheit in Bezug auf Israel kann man auch von Luisa Neubauer erwarten. Will sie ihrer herausragenden Position in der deutschen Klimabewegung gerecht werden, sollte sie zu diesem Thema künftig deutlichere Worte finden. Nicht zuletzt hängt davon die Glaubwürdigkeit von Fridays for Future in Deutschland ab.

schultheis@juedische-allgemeine.de

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