Ein in Berlin lebender israelischer Staatsbürger ist am Mittwoch vergangener Woche in der U-Bahn von einer Gruppe junger Männer antisemitisch beleidigt worden. Der 25-jährige Student N. trug eine Kippa und war somit als Jude erkennbar.
Der Vorfall ereignete sich am frühen Abend, als eine Gruppe von sieben Männern am Neuköllner U-Bahnhof Hermannplatz in einen Zug der Linie 8 stieg. Sie fragten N., ob er Jude sei. Nachdem er nicht reagierte, beschimpften sie ihn als »Drecksjuden« und »Yahudi«. Die jungen Männer riefen zudem »Free Palestine«. Als sie am nächsten Bahnhof den U-Bahn-Zug verließen, schlugen sie noch von außen an das Fenster, hinter dem N. saß.
unverständnis Die Mitfahrenden im Zug kamen dem Israeli nicht zu Hilfe. Um auf sich aufmerksam zu machen, betätigte er den Nothalteknopf. Daraufhin reagierte der Zugführer unwirsch, auch andere Fahrgäste äußerten ihr Unverständnis über den Halt, der Zug setzte seine Fahrt fort. Zwei Fahrgäste boten sich als Zeugen an, N. erstattete später Anzeige bei der Polizei.
Er sei bereits mehrfach attackiert und beschimpft worden, sagte N. der Jüdischen Allgemeinen. »Es ist kaum zu glauben, dass sich Antisemitismus im Jahr 2017 in Berlin in dieser Form zeigt.« Judenhass auch von Muslimen müsse thematisiert und bekämpft werden, meint er. Insgesamt fand er aber auch die Reaktionen der anderen Fahrgäste schrecklich und enttäuschend. »Nicht einzuschreiten und zu helfen, ist das eine. Aber mich dann auch noch zu kritisieren, dass ich den Zug aufhalten würde, das geht nicht.«
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) hatte am Sonntag auf ihrer Internetseite darüber berichtet. Koordinator Benjamin Steinitz wundert sich, dass dieser Vorfall bislang ohne größere öffentliche Reaktionen blieb. Dafür wurde er umso mehr in sozialen Netzwerken diskutiert. »Unsere Meldung wurde schon in den ersten 48 Stunden über 300-mal geteilt, auch von uns sehr unliebsamen Akteuren. Es ist ziemlich schockierend, welche Beschimpfungen es dabei gab.«
vorwurf Der Vorfall wurde anhand des Tatortes Neukölln und der Verbalattacken (»Yahudi«) einer Tätergruppe zugeordnet, und diese wiederum stigmatisiert und stereotypisiert, sagt Steinitz. Der Recherche- und Informationsstelle wurde dabei sogar in den sozialen Medien der Vorwurf gemacht, andere derartige Vorfälle bewusst zu verschweigen.
»Das ist absurd, wenn sich die Kommentierenden die Vielfalt an dokumentierten Vorfällen angeschaut hätten«, so Steinitz. Es zeige aber auch, wie schnell Darstellungen von konkreten Alltagserfahrungen von Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft für die Verbreitung rassistischer und ressentimentgeladener Positionen instrumentalisiert würden. »Wie so häufig bleibt auch hier der Betroffene alleine, da sich die meisten nur mit den Tätern und Täterinnen befassen.« ja