Im Zentrum stehen die Opfer. Das ist der Gedanke, der alle, die an der Entstehung des »Erinnerungsortes Olympia-Attentat München 1972« beteiligt waren, geleitet hat. Er ist es, der sich in Architektur und Konzept erkennen, der sich bei der Übergabe der Stätte an die Familienangehörigen der zwölf Ermordeten spüren lässt.
Am 5. September 1972 hatten acht palästinensische Terroristen morgens um 4 Uhr die Unterkunft der israelischen Sportler im Olympischen Dorf überfallen und sie und ihre Betreuer als Geiseln genommen. Nach einer missglückten Befreiungsaktion auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, 25 Kilometer von München entfernt, lautete die vernichtende »Bilanz«: Alle elf Israelis sowie ein bayerischer Polizist sind tot.
familien 45 Jahre nach diesem Attentat gedachten Politiker und Angehörige in der vergangenen Woche bei der Einweihung des Erinnerungsortes im Münchner Olympiapark der Ermordeten. Empfangen vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) sowie dessen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), waren neben den Familien der Opfer Israels Staatspräsident Reuven Rivlin und seine Frau Nechama sowie der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angereist. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, gehörten bei der Eröffnung des Erinnerungsortes ebenfalls zu den Ehrengästen.
Getragen wird der mit Gras sanft überzogene Hügel in Sichtweite des Olympiastadions und dem Haus Connollystraße 31, wo die Terroristen zu den israelischen Sportler eingebrochen waren, von einem massiven »Splitter«, auf dem die Biografien der Ermordeten auf Deutsch und Englisch (nicht auf Hebräisch) nachzulesen sind. Familienangehörige durften die Tafeln enthüllen.
Die Fotos, die den Text begleiten, vermitteln einen Eindruck von normalen Familien- und Sportlergeschichten, von der Hochzeit, den kleinen Kindern, dem Training – Leben, die jäh und voller Gewalt beendet wurden. Nur zwei der ermordeten Israelis waren auch in Israel geboren, zwei von ihnen waren Holocaustüberlebende.
Die Sportler, die von Israel aus in die Welt geschickt worden waren, um ihr Land zu vertreten, taten dies voller Stolz. Ihre Biografien standen für das, was Israel zu dieser Zeit ausmachte, für Zuversicht, Überlebenswillen und Vielfalt. Nie zuvor hatte Israel eine so große Mannschaft zu Olympischen Spielen reisen lassen.
sensibilität Ilana Romano, Witwe des ermordeten Gewichthebers Yossef Romano, den die Terroristen vor den Augen seiner Mannschaftskollegen hatten verbluten lassen, zeigte sich in ihrer Rede höchst bewegt. Natürlich ist da große Dankbarkeit, dass ein Versprechen eingelöst wurde, eine Dankbarkeit, die bis nach Berlin reicht, wo Bundeskanzlerin Merkel zu verstehen gegeben habe, dass »es die Pflicht Deutschlands« sei, »an die Tragödie zu erinnern«.
Ilana Romano sprach jedoch auch die vielen »Jahre der Verweigerung« an, in denen sie und Ankie Spitzer, Witwe des ermordeten Fechttrainers Andrei Spitzer, »auf Antisemitismus und Mangel an minimaler Sensibilität« gestoßen seien. So habe es nach dem Attentat sogar den Vorwurf gegeben, die israelischen Sportler hätten den Terror nach Deutschland gebracht.
Die »heiteren Spiele«, zu deren Konzept es gehört hatte, ein anderes Deutschland, ein freies, ein tolerantes, zu präsentieren, wurden empfindlich gestört. Nach Avery Brundages Worten »The games must go on« gingen die Spiele weiter. Die 45 Jahre, die es gedauert hat, bis eine solche Gedenkstätte entstehen konnte, sind eine zu lange Zeit. Und dass es sie jetzt gibt, ist letztendlich dem zähen Ringen der Angehörigen zu verdanken. Ihr Kampf um Entschädigungen wird wahrscheinlich weitergehen.
wahrheit Natürlich hatte München im Olympiataumel gespürt, dass da etwas falsch gelaufen war, dass das Bild, das man zeigen wollte, auf tönernen Füßen stand, dass man, ganz aufs eigene Image konzentriert, internationale Spannungen außer Acht gelassen hatte, sodass man schließlich völlig unvorbereitet in den Befreiungsversuch der Geiseln stolperte. Bundespräsident Steinmeier wies in seiner Rede auf diese »Wahrheit« hin.
Man sei, so sagte er, »im aufrichtigen Bemühen auf tragische Weise gescheitert«. An Reuven Rivlin gewandt, stellte er fest, dass heute »die Verantwortung für die Sicherheit Israels und die Absage an jegliche Form des Antisemitismus untrennbar zu Deutschland« gehöre.
Israels Staatspräsident Rivlin nahm diese Worte seines deutschen Amtskollegen auf und erweiterte »die Botschaft«, die von diesem Mahnmal ausgehe: »Wir dürfen dem Terror nicht nachgeben.«
Später, in der vom Erinnerungsort nicht weit entfernten »BMW-Welt«, wo der Festakt seine Fortsetzung fand, machte Steinmeier die so klare wie programmatische Ansage: »Nur wenn Juden in Deutschland vollkommen sicher sind, ist Deutschland vollkommen bei sich.«
hatikwa Getragen wurde der Erinnerungs- und Eröffnungstag von menschlichen Gesten auch außerhalb des Protokolls. Man trauerte gemeinsam. Und man scheute sich weder davor, einander ganz einfach zu umarmen, noch, die Nähe zu Israel und den Israelis zu demonstrieren.
So begann etwa der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle seine Rede auf Hebräisch. Und beendet wurde das Gedenken unter der grünen Graskuppe mit der israelischen Nationalhymne, der Hatikwa.