Herr Offman, Ministerpräsident Horst Seehofer hat den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu einer CSU-Fraktionsklausur nach München eingeladen. Wie beurteilen Sie als jüdisches Parteimitglied diese Einladung?
Ich bin dagegen, weil Orbán wenig gegen den Antisemitismus in Ungarn unternimmt. Diese Haltung passt auch zu seiner Einstellung gegenüber Flüchtlingen und Muslimen und der Aussage: »Ungarn muss ungarisch bleiben.« Aber natürlich ist meine Sicht eine emotionale. Wenn ich Orbáns Verhalten ohne Emotionen beurteile, dann ist Ungarn die Außengrenze des Schengenraumes. Und Orbán macht nichts anderes, als sie zu schützen. Nur wie er sie schützt, das steht nicht im Einklang mit den Werten Europas. Deshalb wäre er für mich kein Gesprächspartner.
Der Vize-Präsident des Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, nannte die Einladung zur CSU-Fraktionsklausur »politisch instinktlos«. Würden Sie auch so weit gehen wollen?
So weit würde ich nicht gehen wollen. Dennoch: Mit den Wertevorstellungen von Herrn Orbán komme ich nicht klar.
Warum – denken Sie – hat ihn Horst Seehofer dennoch eingeladen? Abgesehen davon, dass er vielleicht die Regierungspolitik kritisieren wollte.
So etwas pauschal zu beurteilen, ist sehr schwierig. Ich war jeden Tag am Münchner Hauptbahnhof und habe gesehen, wie Tausende Flüchtlinge angekommen sind, ich habe mit den Leuten dort gesprochen, ich habe ihnen geholfen. Natürlich habe ich auch im Hinterkopf, dass Syrien den Staat Israel nicht anerkennt. Edmund Stoiber hat gesagt: »Die Flüchtlinge müssen die deutsche Leitkultur anerkennen.« Und dazu gehört das Existenzrecht Israels, was ja von Syrien nicht akzeptiert wird, sowie die Vergangenheit Deutschlands und die Position des jüdischen Bevölkerungsteils.
Können Sie die Flüchtlingspolitik Ihres Parteifreundes dennoch nachvollziehen?
Die CSU ist eine breit aufgestellte Volkspartei, und nicht nur ich alleine sehe das Treffen mit Orbán kritisch. Andererseits ist Bayern das Land, das einen großen Teil der Flüchtlinge aufnimmt. Und das mit einer warmherzigen Willkommenskultur. Die ankommenden Flüchtlinge sind ja zum Teil beklatscht worden. Die Polizistinnen haben Babys gewickelt und Kinder betreut. Diese humanitäre Haltung entspricht auch der sozialen Haltung in der CSU-Politik
Grundsätzlich würden Sie der etwas rigideren Flüchtlingspolitik Seehofers folgen wollen?
Ich folge der Linie, dass alle Asylanträge von Asylsuchenden geprüft werden. Und dass man diejenigen, die niemals Asyl erhalten können, möglichst schnell wieder zurückführt. Das sind überwiegend die Asylsuchenden aus den Balkanländern. Denn momentan sind wir in der Situation, dass wir die, die verfolgt werden und Kriegsflüchtlinge sind, bevorzugt behandeln müssen.
Mit dem CSU-Mitglied und Stadtrat von München sprach Heide Sobotka.