Interview

»Er ist äußerst lernfähig«

Abraham de Wolf Foto: privat

Die SPD hat beim Bundesparteitag am Sonntag Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten bestätigt. Eine gute Wahl?
Ja. Er ist von allen, die auf der Führungsebene aktiv sind, am besten für das Kanzleramt geeignet. Ich kenne ihn aus Juso-Zeiten. Er gehörte damals zur dirigistischen Linken, ich zu den undogmatischen Linken. Seitdem hat er sich als äußerst lernfähig erwiesen.

Inwiefern?
Das zeigt der Weg vom wilden linken Juso zum Bundesfinanzminister. Oskar Lafontaine ist damals aus dem Ministerium geflüchtet, weil er mit der Realität der Finanzsysteme nicht umgehen wollte. Doch wir brauchen lernfähige Politiker an der Spitze des Landes, denn uns steht ein riesiges Abenteuer bevor: der ökologische Umbau der Industriegesellschaft. Das kann die SPD. Auf Grundlage der jüdischen Wirtschafts- und Sozialethik bin ich Sozialdemokrat. Und Olaf Scholz traue ich die Gestaltung dieses Umbaus zu. Einige belächeln seine etwas trockene Art. Ich meine, wir brauchen seine Nüchternheit. Charismatiker versprechen manchmal zu viel, er hingegen ist Kopfmensch, das ist ja auch etwas Jüdisches. Und das brauchen wir in dieser Situation.

Die SPD liegt bei 14 Prozent, weit hinter den Grünen und der Union. Wie soll Olaf Scholz Ihre Partei aus dem Umfragetief herausholen?
Es gibt zwei Umfragewerte: Einmal die der Partei, da ist die SPD immer noch von der No-GroKo-Diskussion belastet. Aber es gibt auch die Umfragewerte der Spitzenkandidaten. Und da liegen alle drei etwa gleichauf. Und das ist interessant. Olaf Scholz meint, dass es eine Kanzlerdiskussion geben wird, und da sieht er sich gut aufgestellt. Das sehe ich auch so.

Aber reicht das fürs Kanzleramt?
Als Sozialdemokraten haben wir immer Hoffnung. Und wir sind ganz realistisch: Keiner wird es ohne Koalitionen schaffen.

Die SPD meint, Scholz stehe für den politischen Kulturwandel. Das klingt so, als ob Ihre Partei nicht Teil der Regierungs­koalition und der Spitzenkandidat nicht Finanzminister und Vizekanzler ist?
Es gab bereits einen dramatischen Kulturwandel im Bereich der Finanzen, ohne den wir nicht durch die Corona-Krise gekommen wären. Wir mussten vom Dogma der schwarzen Null abrücken. Das hat die SPD mit Olaf Scholz zuerst begriffen.

Was steht im Programm zur Bundestagswahl, das jüdische Wähler veranlassen könnte, ihre Stimme der SPD zu geben?
Die ökologische Umgestaltung der Industrie­gesellschaft nach sozialen Grundsätzen. Das ist schwierig. Aber wenn man das Soziale ignoriert, rutschen wir in eine schwere soziale Krise.

Mit dem Vorstandsvorsitzenden des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sprach Detlef David Kauschke.

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert