Entmutigungsstrategie wird die deutsche Handelspolitik gegenüber dem Iran unter Unternehmern hinter vorgehaltener Hand gern genannt. Den Mut zum Handelsaustausch mit den Mullahs wolle Berlin den Konzernen nehmen, heißt es lapidar. Die Strategie, die der Bundesregierung unterstellt wird, trägt Früchte, denn der Handel zwischen Deutschland und Teheran ist rückläufig, und vor wenigen Tagen erst hat ein Schwergewicht der Branche seinen Rückzug aus dem Geschäft angekündigt. Siemens wird, so gab Vorstandschef Peter Löscher Ende Januar auf der Hauptversammlung in München bekannt, ab Mitte 2010 keine Neuaufträge aus dem Iran annehmen. Ein entsprechender Beschluss sei bereits im Oktober 2009 gefallen.
abhörtechnik Siemens gehört zu den Großen im Geschäft mit dem Iran. Auf rund 500 Millionen Euro soll sich der Jahresumsatz des Konzerns mit der islamischen Republik zuletzt belaufen haben. Dabei war das Unternehmen in den vergangenen Monaten gleich mehrfach in die Schlagzeilen geraten. So berichtete das ZDF-Magazin »Frontal 21« in der letzten Januarsendung, wie mit deutscher Technik im Iran Oppositionelle abgehört und überwacht würden. Verantwortlich für die Lieferung der Telefonanlagen und der »Monitoring Center«, mit denen sich Mobiltele- fone orten und abhören lassen, war Nokia Siemens Networks, so die ZDF-Recherchen. Das will Siemens-Sprecher Marc Langendorf so nicht stehen lassen: »Zum einen ist Nokia Siemens Networks ein eigenständiges Unternehmen, an dem Siemens nur eine kleine Beteiligung hält und keinen Einfluss auf die Geschäfte hat. Zum anderen wurde im Iran nicht mehr als ein Handynetz aufgebaut. Dabei ist es vollkommen normal, dass Anrufer lokalisierbar sind.« Von Überwachungstechnik könne keine Rede sein, sagte Langendorf der Jüdischen Allgemeinen. Schlecht recherchiert sei auch ein Spiegel-Artikel Mitte Dezember. Laut dem Beitrag ist eine Ladung Turbokompressoren im Hamburger Hafen vom Zoll festgehalten worden, weil die Ware aus dem Hause Siemens im iranischen Raketenprogramm Verwendung finden könnte. »Das war eine Ente«, betont Langendorf. »Sämtliche Konzernaktivitäten im Iran dienen ausschließlich zivilen Zwecken und befinden sich im Einklang mit internationalen Rechtsvorschriften.«
Gleichwohl zieht sich Siemens aus dem Iran zurück, und dabei spielt die politische Großwetterlage durchaus eine Rolle. Die Signale aus Berlin in Richtung Teheran sind überaus deutlich. Einschränkungen in den Wirtschaftsbeziehungen werde eine Staatengruppe auch im Alleingang durchsetzen, wenn es im UN-Sicherheitsrat keine Einigkeit gäbe, warnte Angela Merkel.
export In der Handelsbilanz ist die wachsende Zurückhaltung im Geschäft mit Teheran bisher noch nicht abzulesen. Im vergangenen Jahr ging der Export nach Teheran zwar zurück, aber er lag mit 3,3 Milliarden Euro bis zum November 2009 nicht allzu stark unter den 3,9 Milliarden Euro des Vorjahres. Auf etwa acht Prozent schätzen Statistiker den Rückgang, womit er deutlich unter der Marge von 19,9 Prozent liegt, der für den gesamten Export in 2009 registriert wurde. Das könnte sich 2010 durchaus ändern, denn in den vergangenen Wochen haben mehrere Unternehmen bei Geschäften mit dem Iran müde abgewinkt. So wird die Hamburger Hafen- und Logistik AG nicht bei der Modernisierung des Containerterminals von Bandar-Abbas aktiv werden. Die Linde AG, Hersteller von Industriegasen, geht im Iran genauso wenig auf Akquise wie der Nutzfahrzeughersteller MAN. Zur Vorsicht mahnt auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, wo man mit neuerlichen Sanktionen im Handelsaustausch mit Iran rechnet.
In die Lücke stößt die Konkurrenz aus Russland und China. Das kommt bei deutschen Unternehmern nicht gut an. Die monieren, dass in der Sanktionspraxis mit zweierlei Maß gemessen wird, und dass die Finanzierung über Bundesbürgschaften schwieriger wird. Das ist Teil der »Entmutigungsstrategie« aus Berlin. Zu der gehört es auch, dass Außenhandelskammern gebeten wurden, keine Informationsveranstaltungen und Delegationen in den Iran zu organisieren. Im Handelsaustausch 2010 könnte sich das sehr bemerkbar machen.