Das Dialogprojekt »Schalom Aleikum« vom Zentralrat der Juden hat sich am Mittwoch mit seiner ersten Veranstaltung 2022 zurückgemeldet. Seit 2019 finden in diesem Rahmen regelmäßig Events statt, die sich dem jüdisch-muslimischen Dialog widmen und in denen sich zivilgesellschaftliche Akteure beider Gemeinschaften miteinander austauschen.
In der Online-Gesprächsrunde »Master of Dialogue« ging es um die Herausforderungen im Studienalltag von jüdischen und muslimischen Studierenden und darum, wie diese damit umgehen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Anna Staroselski, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion in Deutschland (JSUD).
Studierende Zunächst wurde Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, der Runde zugeschaltet. Staroselski stellte ihn als ehemals selbst sehr engagierten Studenten vor, der unter anderem auch an der Gründung der JSUD beteiligt gewesen ist, und fragte, worin er das Potenzial studentischen Engagements für die jüdische Gemeinschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen sehe.
»An der Universität wird miteinander gelernt und diskutiert. Die Debatten von heute an den Universitäten sind morgen in der gesamten Gesellschaft«, antwortete Botmann. Es sei daher wichtig, sehr genau zu beobachten, welche Themen die Studenten beschäftigten, auch weil man aus Erfahrung sagen könne, dass sich erfolgreiche Menschen in Politik und Gesellschaft in der Regel schon als Studenten eingebracht haben.
Ohne Zweifel sind auch die beiden Gesprächspartner an diesem Abend engagierte junge Menschen. Bilal Torun hat als Student die erste muslimische Hochschulgruppe an der Universität Hildesheim gegründet und das jüdische Pendant an der Universität Düsseldorf geht auf den Einsatz von Sana Kisilis zurück. Von beiden wollte Staroselski zunächst wissen, wieso sie es für nötig erachtet hatten, an ihrem Hochschulstandort eine Vertretung für studierende Muslime respektive Juden einzurichten.
In ihren Antworten zeigte sich, dass Torun und Kisilis dasselbe antrieb: Als Angehörige einer Minderheit waren sie immer wieder Vorurteilen ausgesetzt und hatten das Bedürfnis, sich mit anderen Betroffenen zusammenzutun. »Antisemitismus und Rassismus gibt es überall in der Gesellschaft und auch die Universität ist nicht frei davon«, erläuterte Torun.
Widersprüche Im Verlauf des Gesprächs stießen die beiden Studenten, die sich ihrer jeweiligen Religion stark zugehörig fühlen, immer wieder auf ähnliche Erfahrungen, die sie gemacht haben. Etwa der Widerspruch zwischen der Art und Weise, wie sie ihre Identität gerne ausleben möchten, und den pauschalisierenden Erwartungen, die die Mehrheitsgesellschaft an sie heranträgt. Daneben zählen aber auch handfeste Diskriminierung und antisemitische wie rassistische Vorfälle zur Realität der Studierenden aus ihren Communities.
»Die Bewegung BDS fasst auch an deutschen Universitäten immer mehr Fuß und spricht mit ihrem Aufruf zum umfassenden Boykott Israels dem jüdischen Staat letztlich das Existenzrecht ab. Das ist blanker Antisemitismus, der sich auch in universitären Veranstaltungen kundtut«, empörte sich Kisilis.
Auf die Frage Staroselskis, wie sich Studierende gegen solche Vorfälle wehren können, antwortete Torun: »Das formale Verurteilen von Organisationen wie BDS ist wichtig, kann allein aber kein Problem bewältigen. Dafür braucht es Lösungen, die nicht immer nur am Einzelfall ansetzen, sondern strukturelle Antworten geben.« Er selbst setze sich zum Beispiel zurzeit für die Einrichtung einer dauerhaften Antidiskriminierungsstelle an seiner Universität ein.
Kisilis ergänzte, dass das Problem des Antisemitismus zwar nur mithilfe der Mehrheitsgesellschaft gelöst werden könne, den Juden selbst aber auch die wichtige Aufgabe des »Empowerment nach Innen« zufalle. Für Anna Staroselski hat sich an diesem Abend gezeigt, wie viele Probleme es auf deutschen Campi noch gebe. »Aber«, sagte sie abschließend, »der Auftrag an uns alle ist, bei der Lösung dieser Probleme mitanzupacken.«