Interview

»Empörend und ekelhaft«

Efraim Zuroff Foto: Marco Limberg

Interview

»Empörend und ekelhaft«

Efraim Zuroff über Günter Grass, Jakob Augstein und die Top Ten der schlimmsten Antisemiten

von Philipp Peyman Engel  03.01.2013 16:51 Uhr

Herr Zuroff, das Wiesenthal Center hat in diesen Tagen eine Top-Ten-Liste der schlimmsten Antisemiten und Israel-Verleumder 2012 veröffentlicht. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Unsere Organisation veröffentlicht diese Aufzählung seit zwei Jahren. Wir möchten damit den Fokus auf die schlimmsten Antisemiten des zu Ende gegangenen Jahres richten und vor ihnen warnen. Jene, die sich so schändlich über Juden und Israel äußern, sollen merken, dass dies nicht unbemerkt bleibt. Wer ein Judenhasser ist, soll der Öffentlichkeit auch als solcher bekannt sein.

Welche Kriterien liegen der Liste zugrunde?
In die Entscheidung fließen mehrere Faktoren mit ein. Ausschlaggebend ist unter anderem die Schärfe der geäußerten antisemitischen Zitate. Wichtig ist auch die Funktion und der politische Einfluss desjenigen, der sich judenfeindlich geäußert hat. Ein Beispiel: »Oh Allah, vernichte die Juden und ihre Unterstützer«, hat der ägyptische Imam Futouh Abd Al-Nabi Mansour kürzlich bei einem Gebet in Gegenwart von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi gefordert. Damit hat Mansour in diesem Jahr sogar Irans Ayatollah Ali Khamenei auf den zweiten Platz verwiesen.

Der deutsche Journalist Jakob Augstein belegt den neunten Platz. Warum ist auch er ein Antisemit?
Weil er ein ernsthaftes Problem mit Juden und Israel hat. Das wird in seinen Beiträgen auf Spiegel Online überdeutlich. Nehmen Sie nur sein Zitat, wonach die Charedim in Israel nicht besser als die islamistischen Fundamentalisten seien und nur nach dem Gesetz der Rache handeln würden. Ich habe großes Verständnis dafür, dass Henryk M. Broder Augstein wegen dessen Agitationen mit Julius Streicher vergleicht.

Augstein selbst hingegen sieht sich diffamiert, bloß weil er als Journalist Kritik an Israel übt.
Wie jeder Antisemit leugnet auch er, Antisemit zu sein. Niemand hat jemals behauptet, dass man Israel nicht kritisieren dürfe. Es ist die Art und Weise der Kritik, die einen Antisemiten ausmacht. Und Augstein misst beim Thema Israel mit zweierlei Maß, macht aus Tätern Opfer, klammert den Terror der Hamas vollkommen aus. Seine Äußerungen sind ganz und gar empörend, diffamierend und ekelhaft.

Warum hat es Günter Grass in diesem Jahr eigentlich nicht in die Top Ten geschafft?
Sie glauben ja gar nicht, wie schwierig es ist, ein Who’s who der Antisemiten zu erstellen, und dabei niemanden zu vergessen.

Inwiefern?
Die antisemitischen Äußerungen nehmen unserer Wahrnehmung nach stark zu. Der Wettbewerb in dieser ganz speziellen Disziplin ist groß. Da kann es schon einmal passieren, dass auch ein ausgemachter Antisemit wie Günter Grass keine Erwähnung findet. Wenn es so viele Unterstützer Israels wie Antisemiten gäbe, wäre schon viel gewonnen.

Mit dem Direktor des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem sprach Philipp Peyman Engel.

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025