Biografie

Eminenz aus Essen

»Als ob ein Engel in die Hölle kam«: Judenretter und Ex-Konzernchef Berthold Beitz Foto: dpa

Eigentlich hat er sich immer geweigert, aus seinem Leben zu erzählen. Und das, obwohl Berthold Beitz, einer der mächtigsten Industriellen Deutschlands, auf viel Berichtenswertes zurückblicken kann. Dennoch ist erst vor Kurzem die Biografie über einen der letzten großen Patriarchen des vergangenen Jahrhunderts erschienen. Der Journalist Joachim Käppner hat sie mit Beitz’ Unterstützung geschrieben. Es ist die Annäherung an einen Außenseiter und Einzelgänger, einen großen, sympathisch eigenwilligen und vor allem mutigen Menschen.

karpaten-öl Berthold Beitz, 1913 in Pommern geboren, wurde im Alter von gerade einmal 27 Jahren als Erdölmanager von der Hamburger Shell in das von der Wehrmacht besetzte Galizien entsendet, in das ostpolnische Städtchen Boryslaw. Ein Ort nahe Lemberg, der seit dem 14. Jahrhundert nachhaltig geprägt war von der jüdischen Schtetl-Kultur. Beitz wurde als kaufmännischer Leiter der Karpaten-Öl AG eingesetzt, einem für die Nazis kriegswichtigen Unternehmen.

In Boryslaw aber stand nicht nur die Förderung des Rohstoffs im Vordergrund. Auch hier ging es den Nazis um ihre Menschenvernichtungspolitik. Eine Ideologie, zu der der in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsene Beitz eine standhafte Distanz pflegte. Beitz trat weder der NSDAP noch einer ihrer Organisationen bei. »Er mochte die Nazis überhaupt nicht, sie störten sein eher unpolitisches, positives Lebensgefühl«, wie Biograf Käppner erläutert.

rettung Zwischen 1942 und 1944 nutzte der Unternehmer seine berufliche Stellung, um zahlreichen Juden das Leben zu retten. Wiederholt schritt er dazu den kleinen Bahnhof von Boryslaw ab, wo in den Zugwaggons Juden auf dem Abtransport in die Vernichtungslager warteten. Beitz verlas dort die Namen seiner Fabrikarbeiter, die er als unabkömmliche Rüstungsarbeiter reklamierte und sie damit vor der Deportation bewahrte.

»Als ob ein Engel in die Hölle kam«, berichtete später einer der Überlebenden. Beitz aber tat noch mehr. Er und seine Frau Else versteckten jüdische Kinder in ihrem Haus und in einer Art Pakt mit dem Teufel manipulierte er sogar den SS-Statthalter von Boryslaw, um weitere Menschen vor der Mordmaschinerie der Nazis in Sicherheit zu bringen.

GEWISSEN »Es war die Stimme seines Gewissens, die ihn motivierte«, so erklärt es Käppner. Nach dem Krieg machte Beitz schnell Karriere. Zunächst als Vorstand in einer großen Versicherungsfirma, dann als Generalbevollmächtigter des Stahlkonzerns Krupp. Er formte das Unternehmen zu einem modernen Konzern und zahlte als einer der Ersten im Jahr 1959 Entschädigungen an Zwangsarbeiter.

Nie sprach Beitz nach dem Krieg über die Zeit in Boryslaw. »Aber es fragte ihn auch niemand nach seiner Vergangenheit. Kein Wunder, denn er war ja das personifizierte schlechte Gewissen«, erläutert sein Biograf. Als er sich in den 50er-Jahren mit den Mächtigen in Moskau und Warschau traf und die Ostpolitik vorwegnahm, zweifelte Kanzler Adenauer an seiner »nationalen Zuverlässigkeit«.

yad vashem Selbst, als Berthold Beitz am 3. Oktober 1973 in Yad Vashem zum »Gerechten unter den Völkern« ernannt wurde, regte sich Widerstand, auch von jüdischer Seite. Der Unternehmer sollte als einer der ersten formalen Vertreter der Besatzungsmacht geehrt werden. Das passte vielen nicht. Eine israelische Kommission konnte diese Vorbehalte jedoch ausräumen, bevor sie Beitz (und später seiner Frau Else) die verdiente Ehrung zukommen ließ.

»Für Beitz war Yad Vashem einer der größten Augenblicke seines Lebens«, sagt Käppner. Und das währt nun beinahe schon ein ganzes Jahrhundert lang.

Joachim Käppner: Berthold Beitz. Die Biografie. Berlin Verlag, Berlin 2010. 622 S., 36 €.

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Berlin

Schläger von Lahav Shapira ficht Urteil an

Mustafa El-H. A. war vor knapp zwei Wochen vom Amtsgericht Tiergarten zu drei Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden

 28.04.2025

Interview

»Es braucht eine klare Ansage«

Maram Stern über den künftigen Papst und den stockenden jüdisch-christlichen Dialog

 28.04.2025

Essay

Den Schaden haben die Juden in Thüringen

In der Debatte um die abgesagte Rede von Omri Boehm zum Buchenwald-Gedenken blieb etwas Entscheidendes unberücksichtigt: der wachsende Einfluss der AfD und des rechten Geschichtsrevisionismus. Ein Nachtrag

von Joël Ben-Yehoshua  28.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Berlin

Eklat um Getränk mit gehäckselter Wassermelone

Beim Israeltag wirbt das Restaurant »Feinberg’s« unter dem Titel »Watermelon meets Zion« mit dem Getränk. Das sorgt für Kritik

 28.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  27.04.2025

Niedersachsen

Gedenkfeier erinnert an Befreiung von Bergen-Belsen vor 80 Jahren

In dem KZ der Nazis kamen mehr als 52.000 Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene um. Am Sonntag wurde der Befreiung des Lagers gedacht

 27.04.2025