Für Stefan Liebich geht es um »Selbstverständlichkeiten«, für seinen Fraktionskollegen von der Linkspartei, Harald Koch, ist eine »Tabugrenze im innerparteilichen Umgang überschritten« worden. Was Koch erregt und Liebich abwiegelt, ist ein Beschluss, den die Linken im Bundestag gefasst haben. »Entschieden gegen Antisemitismus« heißt er und wurde am vergan- genen Dienstag einstimmig verabschiedet. Darin steht: »Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer ›Gaza-Flottille‹ beteiligen.« All das hatte es zuletzt in der Links-Partei gegeben.
Dass der Beschluss einstimmig verfasst wurde, liegt freilich nur daran, dass mindestens zehn Abgeordnete den Saal vor der Abstimmung verließen und weitere fünf sich nicht an ihr beteiligten. Zu den Abweichlern, die jetzt von »Denkverboten« und »Erpressung« sprechen, gehören die Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Kathrin Vogler, Inge Höger, Harald Koch, Nicole Gohlke oder Annette Groth. Allesamt Hinterbänkler, aber bei einer Gesamtfraktionsstärke von 76 Abgeordneten ist ihre Präsenz doch bemerkenswert.
Rücktrittsdrohung Die Einstimmigkeit, auf die Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi anfangs so stolz verwies, soll durch kaum verhohlene Rücktrittsdrohungen seiner Person und durch Austrittsankündigungen anderer Abgeordneter zustande gekommen sein. Für den Beschluss setzten sich Abgeordnete wie Jan Korte, Steffen Bockhahn und Caren Lay ein, auch wenn es unter den Befürwortern Kritik am Vorgehen der Fraktionsspitze gibt.
Petra Pau beispielsweise, die sich in der Linkspartei am konsequentesten für gute Kontakte zu jüdischen Gemeinden einsetzt, bemängelt die Rede von der Einstimmigkeit als »formal richtig, real falsch«. Leider habe die Fraktion sich einmal mehr als »unfähig oder unwillig« erwiesen, ein Signal gegen Antisemitismus zu setzen. Die Schuld daran trügen jene Kollegen, »die sich auch der Abstimmung entzogen«, deren Kritik sei »zum Teil bösartig«.
Als Beispiel nennt Pau die Abgeordnete Inge Höger, die vor einem Jahr an der umstrittenen »Gaza-Flottille« teilgenommen hatte. Jüngst trug sie auf einem Kongress palästinensischer Gruppen einen Schal, auf den eine Nahost-Karte gedruckt war – ohne Israel. »Aus diesen und weiteren Anlässen«, so Pau, sei der Beschluss der Fraktion überfällig gewesen. Sie hätte es jedoch begrüßt, wenn er Ergebnis einer breiten Diskussion gewesen wäre.