Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion dürfen ab sofort wieder nach Deutschland einreisen. Das entschied das zuständige Bundesinnenministerium am Freitag und hob damit einen seit einiger Zeit wegen der Corona-Krise bestehenden Einwanderungsstopp für diese Personengruppe auf.
Der Zentralrat der Juden begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, jüdischen Zuwanderern aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion wieder die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. »Wir sind sehr erleichtert, dass die Bundesregierung schnell reagiert hat und die jüdischen Einwanderer nicht vor verschlossener Tür stehen lässt«, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Freitag.
»Die betroffenen Menschen hatten sich in ihrer Not an uns gewandt, sodass wir die Bundesregierung unmittelbar auf ihre Lage aufmerksam machen konnten«, so der Zentralratspräsident weiter. Mitte August hatte er sich mit einem entsprechenden Schreiben an die Bundesregierung gewandt und diese aufgefordert, den Sachverhalt zu prüfen und »diesen unerträglichen Zustand so schnell wie möglich zu beenden«.
visa Die vorübergehende Aussetzung der Erteilung von Visa aufgrund der Corona-Pandemie hatte die Betroffenen nach Auskunft des Zentralrats der Juden in eine unhaltbare Lage gebracht. »Da ihnen bereits eine Aufnahmezusage seitens Deutschlands erteilt worden war, hatten sie alle notwendigen Schritte unternommen, um ein Visum zu beantragen. Dafür mussten sie sich zum Beispiel von ihrem Wohnort abmelden und ihren Arbeitsplatz kündigen. Die Kinder wurden von der Schule abgemeldet«, unterstrich Josef Schuster.
»Die betroffenen Menschen hatten sich in ihrer Not an uns gewandt, sodass wir die Bundesregierung unmittelbar auf ihre Lage aufmerksam machen konnten.«
Zentralratspräsident Josef Schuster
Bereits seit 1. Juli dürfen deutschstämmige Einwanderer wieder in die Bundesrepublik einreisen. Auch für andere Personengruppen hatte die Bundesregierung den wegen der Pandemie verhängten zeitweisen Aufnahmestopp wieder aufgehoben. Bislang war die jüdische Einwanderung aber nicht erlaubt.
Vor einer Woche hatte der Berliner »Tagesspiegel« berichtet, dass zahlreiche jüdischen Ausreisewilligen bei den deutschen Botschaften keinen Termin für einen Visumsantrag mehr bekämen. Das Auswärtige Amt hatte die restriktive Praxis bestätigt und als Grund den coronabedingten generellen Einreisestopp genannt.
spätaussiedler Im Gegensatz zur Gruppe der Spätaussiedler könne jüdischen Einwanderern eine »Ausnahme vom Annahmestopp« für Visa-Anfragen momentan »nicht gewährt werden«, hatte es noch vergangene Woche geheißen.
Seit 1990 sind mehr als 100.000 Juden nach Deutschland gekommen, die meisten davon aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinden in Deutschland stieg dadurch beträchtlich an. Zwar ist die Zahl der jüdischen Einwanderer in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Dennoch stellen immer noch Hunderte Personen jedes Jahr einen Einreiseantrag. 2018 siedelten dem neuesten Migrationsbericht der Bundesregierung zufolge 1038 jüdische Einwanderer aus der ehemaligen UdSSR nach Deutschland über.
Voraussetzung für die dauerhafte Einreise ist die Staatsangehörigkeit eines Nachfolgestaates der Sowjetunion (mit Ausnahme der baltischen Staaten) und die jüdische Nationalität beziehungsweise jüdische Abstammung eines Eltern- oder Großelternteils. Viele Betroffene saßen im wahrsten Sinne des Wortes auf gepackten Koffern und hatten in der alten Heimat Wohnung und Arbeitsplatz bereits aufgegeben. mth