Während seines Treffens mit der belarussischen Oppositionsführerin Tichanowskaja am vergangenen Freitag erklärte der niederländische Ministerpräsident Rutte, dass er den Europäischen Rat noch nie so einig gesehen habe wie aktuell beim Thema Belarus: Außer dem bereits verhängten Flugverbot plane die EU drastische Wirtschaftssanktionen, die das Lukaschenko-Regime deutlich stärker treffen sollen.
Nach der gefälschten Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 und dem Ausbruch der Massenproteste hat der von Moskaus Gnaden abhängige belarussische Diktator mehrfach rote Linien überschritten: Politische Gegner wurden festgenommen, Demonstranten brutal misshandelt und sogar getötet, unabhängige Medien zerschlagen. Tausende Belarussen und Belarussinnen mussten das Land verlassen. Die EU zeigte sich zwar empört, reagierte jedoch langsam und zurückhaltend. Sie beschränkte sich eher auf symbolische Sanktionen.
schwäche Diese seitens der EU als Dialogangebot gedachte vorsichtige Politik nahm Lukaschenko als Zeichen der Schwäche und Unentschlossenheit von Europäern wahr, die nur reden, aber nie handeln. Von banalen Rachegefühlen getrieben, ordnete der Diktator die Zwangslandung einer Ryanair-Passagiermaschine in Minsk an – einzig und allein, um seinen persönlichen Feind, den Blogger und Aktivisten Roman Protassewitsch, festnehmen zu lassen.
Diesmal jedoch scheint sich Lukaschenko verschätzt zu haben. Durch diese Aktion forderte er die EU heraus und machte aus der andauernden lokalen Belarus-Krise ein europäisches, ja, ein internationales Thema.
Nun ist Lukaschenko kein belarussisches Problem mehr, sondern eine Gefahr für die EU und somit ein wichtiges europäisches Problem. Und die EU zeigt sich entschlossen, dieses Problem lösen zu wollen. Während die bisherigen Sanktionen das Regime zum Umdenken und Einlenken bringen wollten, sollen die geplanten Maßnahmen seinen Zusammenbruch beschleunigen.
Der Autor ist Zeithistoriker in Düsseldorf. Er wurde 1979 in Minsk geboren.