Der Sturm auf die israelische Botschaft in Kairo lässt für die künftigen Beziehungen des jüdischen Staates zum »neuen« Ägypten Schlimmes ahnen. Beschränken sich doch Israelhass und offener Antisemitismus in der ägyptischen Gesellschaft nicht auf extremistische Ränder, sondern sie einen das gesamte politische Spektrum – von Islamisten bis zu säkularen »Liberalen«.
Dass der Überfall auf die Botschaft vom Tahrir-Platz ausging, wo zuvor gegen repressive Einschränkungen neu errungener Freiheiten demonstriert worden war, zeigt: Die Konfrontation mit Israel gilt in Ägypten als dezidiert »demokratisches« Anliegen. Noch hält der herrschende Militärrat aus außenpolitischer Rücksicht und ökonomischen Zwängen sein Bekenntnis zum ägyptisch-israelischen Friedensvertrag aufrecht. Nicht zuletzt angesichts der verzweifelten wirtschaftlichen und sozialen Misere des Landes hat diese Haltung jedoch keine Zukunft. Zu groß ist die Versuchung für alle politischen Kräfte, wachsende Wut und Verbitterung auf den »zionistischen Feind« zu lenken.
Neuordnung Wie man sich von einem Sicherheitspartner zum aggressiven Widersacher wandelt, führt den Ägyptern derzeit die Türkei vor. Sie will bei der Neuordnung des Nahen Ostens eine Führungsrolle spielen und preist das eigene islamische Demokratiemodell als Vorbild an. Das wird von arabischen Mächten misstrauisch beäugt.
Dabei droht die ägyptisch-türkische Konkurrenz jedoch die Form eines antiisraelischen Überbietungswettbewerbs anzunehmen. Israel gerät umso mehr mit dem Rücken zur Wand, wie der Westen – und namentlich die USA – in der Region dramatisch an Einfluss verlieren. Offenen Krieg hat es von seinen neuen Feinden eher nicht zu befürchten, wohl aber Umzingelung und Zermürbung. Der jüdische Staat kann wenig tun, außer militärisch und ökonomisch stark genug zu bleiben, um das kommende Jahrzehnt heftiger Turbulenzen im Nahen Osten möglichst unbeschadet zu überleben.
Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.