Heute vor genau 60 Jahren, am 19. Juli 1950, wurde in Frankfurt am Main der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet. Politiker und Kirchenvertreter haben zum Jubiläum gratuliert. »Der Zentralrat der Juden hat maßgeblich dazu beigetragen, dass jüdisches Leben in seiner Vielfalt ein fester Bestandteil lebendiger deutscher Kultur bleiben konnte«, teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Schreiben an die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, mit. »Immer war der Zentralrat der Juden auch ein verlässlicher Ansprechpartner.« Merkel danke »von ganzem Herzen« für die Arbeit. »Ich freue mich über das gute Miteinander und setze fest auf eine fruchtbare Zukunft der Zusammenarbeit zum Wohle der jüdischen Gemeinden und aller Menschen hierzulande.«
instanz Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) würdigte den Zentralrat als »wichtige Instanz« des öffentlichen Lebens. »Wir sind froh und dankbar, dass wir dieses Jubiläum gemeinsam feiern dürfen und dass es nach der furchtbaren Schreckenszeit des Nationalsozialismus wieder ein kraftvolles jüdisches Leben in Bayern und Deutschland gibt«, so Seehofer.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, der Zentralrat habe ein Wächteramt inne, das für eine stabile Demokratie und eine offene Gesellschaft ohne Diskriminierung unverzichtbar sei. Dank der Organisation habe sich jüdisches Leben in Deutschland nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wieder entfalten können. Auch die Grünen-Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir hoben die Bedeutung des Zentralrats als politische und moralische Instanz im Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus hervor.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dankte dem Zentralrat für »60 Jahre andauernde, beharrliche Arbeit« und verwies darauf, dass der Zentralrat bis heute »stets eine lebendige, streitbare und engagierte Stimme im öffentlichen Diskurs« ist. Kurt Beck (SPD), der Ministerpräsident von Rheinland Pfalz, betonte in seinem Glückwunsch die Bedeutung des Zentralrats als Institution, »die zum kulturellen Reichtum des Landes Wichtiges beigetragen habe.« Beck hob zudem hervor, dass der »Zentralrat die Auffassungen seiner Mitglieder gerade auch im Hinblick eines Verständnisses jüdischer Geschichte und jüdischer Anliegen selbstbewusst« formuliere.?
kontroversen Die Deutsche Bischofskonferenz bezeichnete den Zentralrat der Juden in Deutschland zum 60. Gründungstag als »unverzichtbare Institution in der Gesellschaft«. Die katholische Kirche werde auch weiterhin in ihrem Bemühen nicht nachlassen, »an der Erinnerung der Vergangenheit mitzuwirken und jeder Form von Antisemitismus eine Absage zu erteilen«, heißt es in einem Brief des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, an Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch.
»Erneut versichere ich Ihnen, dass es für die Leugnung des Holocaust keinen Platz in der katholischen Kirche geben darf«, fügte Zollitsch hinzu. Damit spielte er auf die Auseinandersetzungen um die umstrittene Neufassung der Karfreitagsfürbitte sowie den Bischof der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft, Richard Williamson, an, der den Holocaust leugnete.
dialog Auch der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, würdigte den Zentralrat anlässlich des 60. Jahrestages seiner Gründung. »Wenige Jahre nach dem Ende der von Rassismus und Antisemitismus gekennzeichneten Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten haben mutige Männer und Frauen jüdisches Leben in Deutschland repräsentiert«, so Schneider. Sie hätten damit dazu beigetragen, dass nach dem Grauen des NS-Regimes ein Neubeginn möglich wurde. Die evangelische Kirche sei dankbar für die intensiven Kontakte und verlässlichen Gespräche, die zwischen dem Zentralrat der Juden und dem Rat der EKD durch all die Jahre geführt werden konnten.
Der EKD-Ratsvorsitzende erinnerte an frühere Präsidenten des Zentralrates wie Heinz Galinski, Ignatz Bubis, Paul Spiegel bis hin zur jetzigen Vorsitzenden Charlotte Knobloch. Diese hätten dafür gesorgt, dass die jüdisch-christliche Gemeinsamkeit in einer »Mischung aus Mahnung und gemeinsamem Kampf gegen jedes Wiedererstarken von Rassismus und Antisemitismus in gegenseitigem Vertrauen wachsen konnte«.
charme Auch der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Johannes Friedrich (München), äußerte sich erfreut über ein Wiedererstarken des jüdischen Lebens in Deutschland. Er sei dankbar, dass der Zentralrat die Entwicklung der Bundesrepublik begleitet habe. Hatten 1950 nur 15.000 Juden in Deutschland gelebt, seien es heute über 100.000, sagte Friedrich. Damit seien »die Bedeutung, der Charme und der kulturelle Reichtum der jüdischen Religiosität wieder nach Deutschland zurückgekehrt«, so Friedrich: »Nach den furchtbaren Verbrechen der jüngsten Vergangenheit haben wir Deutschen damit auch die Chance und die Verpflichtung, uns für den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland einzusetzen.« Der Zentralrat sei immer bemüht gewesen, eine Brücke zu bauen zwischen der historischen Verantwortung und der Gestaltung der gemeinsamen Zukunft.
ja/epd/dpa