Herr Graumann, Sie haben die Schirmherrschaft über die bundesweiten Israel-Tage übernommen, die ihm Rahmen der Jom Haazmaut-Feiern stattfinden. Warum?
Die Schirmherrschaft erfüllt mich mit großer Freude. Ich empfinde eine ganz besondere und starke persönliche Nähe zu Israel und zu den Menschen dort, emotional und religiös, aber auch in Hinblick auf unsere gemeinsamen Werte. Oft wird Israel hierzulande lediglich aus einer sehr begrenzten Perspektive wahrgenommen und meist nur mit dem Nahostkonflikt in Verbindung gebracht. Die bundesweiten Israel-Tage sind daher ein wunderbarer Anlass, das Land in all seiner Vielfalt, seinem kulturellen Reichtum, seinem lebendigen Temperament zu präsentieren und für einen Tag das »richtige« Israel hier zu uns nach Deutschland zu holen.
Können solche Feiern das Interesse am heiligen Land wecken?
Ich hoffe sehr, dass sie nicht nur Interesse wecken, sondern dass die Besucher gleich ihr nächstes Urlaubsziel dabei entdecken. Israel hat nämlich so viel zu bieten. Ob man religiöse Stätten besuchen will, sich für neueste Fortschritte in Sachen Hightech interessiert oder einfach nur lebensfrohe Partys feiern möchte. Ist man erst einmal in seinem wundervollen Bann, wirkt Israels Anziehungskraft weiter, ganz gleich ob bei Juden oder Nichtjuden.
Was bedeutet Israel den Juden in Deutschland?
Für uns und für Juden weltweit, ist dieses Land eine starke emotionale Stütze, für viele mit spiritueller Dimension. Israel ist in unseren Köpfen und liegt uns am Herzen. Besonders nach dem Grauen der Schoa war der neu gegründete jüdische Staat ein Symbol des Überlebens und Garant für eine sichere Heimstätte. Heute leben Juden in Deutschland zum Glück so sicher wie noch nie, dennoch ist unsere emotionale Verbundenheit mit Israel lebendig und stark, alleine schon aus religiösen oder familiären Gründen. Deshalb schmerzt es uns auch, wenn Israel ungerechtfertigt mit Hass und Hetze überzogen wird. Daher setzen wir uns leidenschaftlich für seine Existenz ein. Dies sollten übrigens alle tun, die für Demokratie und Freiheit eintreten.
Muss das Interesse an Israel möglicherweise noch gestärkt werden?
Ich halte es für elementar wichtig, dass gerade unsere Kinder und Jugendlichen viel über den Staat erfahren und ihn vor Ort »erleben« – auch, um sich dann besser äußern zu können, falls man nach Israel gefragt wird. Die Bindung an dieses besondere Land wird und muss auf jeden Fall kraftvoll bleiben.
Es gibt viele Programme, die es gerade Jugendlichen ermöglichen, das Land kennenzulernen. Werden diese Angebote ausreichend genutzt?
Das Interesse und die Neugier sind gerade bei Jugendlichen besonders stark. Für viele ist es oft die erste Israelreise überhaupt. Andere verbringen ihren Urlaub meist nur an einem einzigen Ort. Bei den speziellen Angeboten haben sie die Möglichkeit, ganz Israel zu bereisen, seine grünen Landschaften, die schneeweißen Berge oder die hellen Strände zu genießen und dabei die Menschen vor Ort kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Manchmal reicht einfach das Geld nicht, um noch mehr Programme anbieten zu können.
Kann das junge Menschen in ihrer jüdischen Identität stärken?
Wie in jeder Religion nimmt die religiöse Anziehungskraft auch für unsere Jugendlichen ab. In der Tat vermag gerade eine Reise nach Israel, die jüdische Identität zu stärken. Dort wird oft noch deutlicher, dass man nicht unbedingt religiös sein muss, um eine derart innige Verbundenheit zu spüren. Außerdem: Wenn eine Gruppe von Teenagern gemeinsam zur Klagemauer geht oder am Strand die Hawdallah-Zeremonie begeht, so gibt dies ein überwältigendes Zusammengehörigkeitsgefühl. Das hält dann oft auch hier in Deutschland weiter an und stärkt so die jüdische Gemeinschaft.
Unterscheidet sich das Verhältnis der älteren Migrantengeneration zu Israel von dem der so genannten Alteingesessenen?
Ich glaube, dass wir alle – sogenannte Migrantengeneration oder Alteingesessene – uns Israel gleichermaßen tief verbunden fühlen. Gerade, wenn es um politische Unterstützung geht, wie etwa pro-israelische Demonstrationen, stehen oft die älteren Zuwanderer an vorderster Stelle. So plurale und vielfältig die jüdische Gemeinschaft in Deutschland heute auch ist, so sehr wir uns auch zuweilen unterscheiden, zweifele ich nicht daran, dass jeder von uns sich von Herzen wünscht, der jüdische Staat möge in Sicherheit und Frieden leben und dass wir noch viele Geburtstage von Israel gemeinsam feiern werden.
Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach Heide Sobotka