Sophie Albers Ben Chamo

Berlin ist gekippt!

Von der ersten Sekunde an zog der Horror der Katastrophe seine Kreise immer weiter in die Welt. In seiner Ausdehnung passierte er Städte, Länder, Kontinente und jede Vorstellungskraft. Der Diameter wuchs von Sderot und Kfar Aza nach Tel Aviv, weiter nach Kfar Vitkin und Haifa, von dort nach Paris, von Groningen nach London, nach Miami und Long Island - und auch nach Berlin. Von Onkel und Tante zu Tochter, zu Cousine, zu Nichten und Neffen, zu Schwester, zu Sohn, zu Großvater, zu Enkel …

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

In kürzester Zeit breiteten sich Schrecken und Trauer Tausende Kilometer weit aus. Der Schock des ersten Anrufs, der verstörte Blick in die Nachrichten, die Bilder, die Videos, die Hoffnung gegen das schwarze Loch, das Menschen verschluckt. Schmerz und Erschöpfung, die nun in den Menschen wohnen wie ein Tinnitus. Die Sucht nach Nachrichten und die Angst vor jedem Reload der Seite. Die Fahrigkeit ist die gleiche in Amerika und Europa.

Und während die Schockwellen schließlich langsamer wurden, setzten am letzten Punkt ihrer Ausdehnung die der Angst ein. Vertraute Medien, die nur eine Seite des Schmerzes sehen, Institutionen und Repräsentanten des Wissens und der Kultur, die das Opfer zum Täter machen. Freunde, die infrage stellen, dass es die Toten und Verstümmelten überhaupt gibt. Menschen, die eine Logik darin finden, dass Israelis vergewaltigt, in Stücke gehackt und verbrannt wurden.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Solche, die es den Nachkommen der Überlebenden der Schoa zum Vorwurf machen, dass sie keine neue Schoa hinnehmen wollen. Menschen, die in jedem Juden auf der Welt einen Befehlshaber des Gaza-Kriegs sehen. Menschen, die es vorziehen, denen zu glauben, die die Juden Israels ins Meer treiben wollen - und dann alle anderen Juden auf der Welt.

Die eigene Wohnung ist gefährlich

Die Angriffe kommen schnell. Hass spuckend online, subtiler im direkten Gespräch, dann auf der Straße mit Fäusten und Messern. Weil jemand einen Davidstern trägt, weil jemand Hebräisch spricht, weil jemand jüdisch ist. Da haben die Angstkreise längst die Richtung geändert. Der Radius wird nun kleiner.

Die Familie in Israel zu besuchen, bedeutet Lebensgefahr, weil der Raketenbeschuss anhält, auch weiterhin aus dem Gazastreifen. In die Synagoge, zur Universität oder auf jüdische Veranstaltungen zu gehen, ist gefährlich, weil womöglich die mit den Fäusten und Messern dort warten. Auf die Straße zu gehen, ist gefährlich, weil dort in aller Welt und vor der eigenen Haustür gegen Israel und Juden demonstriert wird. Mahnmale sind gefährlich, weil der Hass sich sogar gegen die Toten richtet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die eigene Wohnung ist gefährlich, weil eine jüdische Zeitung oder Post aus Israel kommen könnte oder weil eine Mesusa am Türrahmen angebracht ist. Freunde einzuladen, ist gefährlich, weil sie plötzlich keine Freunde mehr sind. Radio oder Fernsehen anzuschalten, online zu gehen, Zeitung zu lesen, Musik zu hören, sich über Promi-Klatsch zu amüsieren, ist gefährlich, weil Autoren, Musiker, Schauspieler, die man toll findet, plötzlich Israel und die Juden verurteilen. Klimaschutz ist gefährlich, weil ja auch Greta Thunberg etwas gegen Juden hat. Und gegen rechts zu demonstrieren, ist gefährlich, weil manche Demonstranten Juden noch mehr hassen als Neonazis.

Es wächst ein Ghetto

Immer schneller ziehen sich die Angstkreise auf jeden Einzelnen zurück. Enger und enger werden sie. Und während man dem Tinnitus lauscht, in der Hoffnung, dass er leiser wird, brüllt die Welt in Dankbarkeit, endlich wieder hassen zu dürfen. Wobei es niemanden schert, wer die Erlaubnis dazu gibt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Während der Bewegungsradius schrumpft, wächst ein Ghetto, von dem die Juden dachten, dass es nie wiederkommt. Bis es nur noch die eigenen Gedanken sind, die man kontrollieren kann. Und die Macht, die bleibt, ist es, wie man auf Horror und Angst reagiert. Der nächste Schritt muss es sein zu erkennen, dass genau darin die Stärke liegt.

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025

New York

46 Prozent aller Erwachsenen auf der Welt haben antisemitische Ansichten

Die Anti-Defamation League hat 58.000 Menschen in 103 Ländern befragt

 14.01.2025

NRW

NRW-Leitlinien für zeitgemäßes Bild des Judentums in der Schule

Mit Büchern gegen Antisemitismus: NRW-Bildungsministerin Feller hat zwölf Leitlinien für die Darstellung des Judentums in der Schule vorgestellt. Denn Bildungsmedien seien ein Schlüssel zur Vermittlung von Werten

von Raphael Schlimbach  14.01.2025

Faktencheck

Hitler war kein Kommunist

AfD-Chefin Weidel bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator als »Kommunisten«. Diese These wird von wissenschaftlicher Seite abgelehnt

 14.01.2025

Berlin

Wegen Gaza-Krieg: Syrer beschädigt erneut Gebäude im Regierungsviertel

Erst das Innenministerium, dann der Amtssitz des Bundeskanzlers: Zweimal binnen weniger Tage fasst die Polizei in Berlin einen Mann, der wegen des Gaza-Kriegs wütet

 14.01.2025

Studie

Frauen und jüdischer Widerstand bei Schulnamen unterrepräsentiert

Welche Persönlichkeiten prägen die Namen deutscher Schulen? Eine Studie zeigt: Pädagogen spielen eine große Rolle. Frauen und Juden eher weniger

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert